Gruppenarbeit
|
Autor: Sebastian Bachmann
|
Semester: SS 1999
|
Hauptstudium
|
|
Handout PDF
|
|
|
Gruppenarbeit
-
Die klassische Arbeitsgruppe
Wann?
-
Schon immer vorhanden, vom Pyramidenbau bis heute.
-
Erste wissenschaftliche Erwähnung: Publikation von Lang und Hellbach
(1924):"Gruppenfabrikation".
-
Ziel: Zusammenfassen von Gruppen mit ähnlichen Verrichtungen zur Bildung
einer Betriebsstruktur
Arbeitsorganisation des Betriebs
-
Stark arbeitsteilige, funktionsorientierte Arbeitsorganisation nach tayloristischem
Vorbild.
Tätigkeit der Arbeitsgruppe
-
Nur unmittelbar produzierende Tätigkeiten bei kurzen Taktzeiten.
-
Keine benachbarten Tätigkeiten, keine dispositive Tätigkeiten
(Qualitätskontrolle etc.). Diese werden ausschließlich außerhalb
der Gruppe von anderen Personen verrichtet.
Führung der Gruppe
-
Meister teilt Arbeit ein, überwacht und befielt. Streng hierarchische
Organisation, keine Mitsprache oder Beteiligung der Arbeiter.
Entlohnung
-
Akkordlohn (heute evtl. Stundenlohn)
FAZIT: Jeder arbeitet für sich, ein Zusammenarbeiten findet
nur auf Weisung des Meisters statt.
Ist das als Gruppenarbeit zu bezeichnen?
-
Die teilautonome Arbeitsgruppe
Wann?
-
Anfang der 70er Jahre in Skandinavien (Volvo) und Deutschland (VW) mit
dem Ziel der Humanisierung der Arbeitswelt.
Arbeitsorganisation des Betriebs
-
In Pilotprojekten werden ganzheitliche, weniger arbeitsteilige Arbeitsgruppen
(zwischen 3 und 10 Mitarbeitern) geschaffen, die für die Erstellung
eines kompletten (Teil-) Produkts (bei Volvo eines ganzen Autos) verantwortlich
sind.
Tätigkeit der Arbeitsgruppe
-
Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitsstationen (Job Rotation).
-
Integration benachbarter, produktionsnaher Tätigkeiten, lange Taktzeiten
(z.B. Qualitätskontrolle, Wartung der Maschinen, Materialdisposition
= Job Enlargement).
-
Integration neuer planerischer Tätigkeiten (z.B. Planung der Arbeitszeiten,
Feinsteuerung der Fertigungsaufträge, Optimierung der Arbeitsabläufe
= Job Enrichment).
Führung der Gruppe
-
Gruppen sollen sich weitgehend selbst regulieren: Die Gruppe wählt
einen Gruppensprecher; er ist Ansprechpartner für die Vorgesetzten.
-
Meister koordiniert mit verschiedenen Gruppensprechern.
Entlohnung
-
Grundlohn (Zeitlohn) und eventuell Gruppenprämie.
FAZIT: Weitgehend autonome,sich selbst regulierende Gruppen,
die relativ ganzheitliche Aufgaben verrichten.
-
Die Lernstatt
Wann?
-
Zu Beginn der 70er Jahre bei BMW und Hoechst mit dem Ziel, Sprachvermittlung
für Ausländische Mitarbeiter anhand konkreter betrieblicher Abläufe
und Aufgaben (Lerning on the Job). Lernen in der Werkstatt = Lernstatt.
Tätigkeit der Arbeitsgruppe
-
In Lerngruppen lernen von sechs bis acht ausländische Mitarbeiter
die deutsche Sprache und Fachkenntnisse.
Führung der Gruppe
-
Eigens ausgebildete Vorgesetzte vermitteln Fach- und umgangssprachliche
Kenntnisse.
FAZIT: Bewährtes Modell zum Erwerb von Fach- und Szialkompetenz On-the-Job,
stößt weitere neue Lernformen (z.B. Werkstatt-Seminar)
-
Die Qualitätszirkel
Wann?
-
Anfang der 80er Jahre, im Zuge der starken Orientierung nach Japan. Ziel:
Beteiligung von Mitarbeitern der unteren Hierarchieebenen an der Bearbeitung
und Lösung von Problemen aus ihrem Arbeitsbereich (auch KVP oder KAIZEN).
Tätigkeit der Arbeitsgruppe
-
In Gruppen von 5 bis 15 Mitarbeitern werden selbstgewählte Problemstellungen
möglichst eigenverantwortlich bearbeitet.
-
Treffen finden alle zwei bis vier Wochen auf freiwilliger Basis statt.
-
Gruppen haben keine Entscheidungsbefugnis, erarbeiten lediglich Vorschläge.
Führung der Gruppe
-
Moderation übernimmt ein ausgebildeter Moderator.
Entlohnung
-
Qualitätszirkel treffen sich während der Arbeitszeit.
-
Oft werden Vorschläge im Rahmen eines betriebliche Vorschlagswesens
honoriert.
FAZIT: Oft vom Management nicht ganz ernst genommenen, parellel
zum Qualitätssicherungssystem arbeitend und wenig einflußreich.
-
Das Fertigungsteam
Wann?
-
Anfang der 90er Jahre durch einer Studie des MIT über japanische
Produktionsmethoden in der Automobilindustrie (Toyota) sehr populär
geworden. Ziel von Fertigungsteams: Eine schlanke Produktion (Lean Production).
Arbeitsorganisation des Betriebs
-
Beibehaltung der arbeitsteiligen Fließbandfertigung, aber das Fließband
wird in Fertigungsteams von jeweils ca. 10 Leuten unterteilt. Jeder Handgriff
ist stark standardisiert.
-
Durch JIT-Lieferung, Anhalten des Bandes bei Fehlern (Nullfehler Mentalität)
und hohen Rationalisierungsvorgaben lastet ein starker Leistungsdruck auf
den Mitarbeitern.
Tätigkeit der Arbeitsgruppe
-
Fast nur produzierende Tätigkeiten, bei Beibehaltung relativ kurzer
Taktzeiten (gesamter Arbeitsumfang meist unter 20 Minuten). Jedes Teammitglied
ist außerdem noch zur Kontrolle seiner Arbeit verpflichtet.
-
Jedes Teammitglied muß mindestens drei Stationen beherrschen, um
Ausfälle zu kompensieren.
Führung der Gruppe
-
Der Meister ernennt Teamleiter (Vorarbeiter), und ist Vorgesetzter von
zwei Teams.
FAZIT: Ständiger Druch erzwingt hohe Leistung. Die als Reaktion
au fden Erfolg Japans im Westen eingeführte Gruppenarbeit folgte jedoch
meist eher dem Konzept der teilautonomen Arbeitsgruppen, und nicht dem
der Fertigungsteams.
-
Die Projektgruppe
Wann?
-
Schon seit vielen Jahren eingesetzt, aber in den letzten Jahren stark in
den Vordergrund gerückt.
Arbeitsorganisation des Betriebs
-
Personen verschiedener Organisationseinheiten arbeiten in einem Projektteam
zusammen, um eine neuartige, komplexe und einmalige Aufgabe zu bewältigen
(z.B. Entwicklung eines neuen Produkts); auch Task Forces oder Case Team
genannt.
-
Projektgruppen können unterschiedlich stark in die reguläre Arbeitsorganisation
integriert sein. In sogenannten Projektorganisationen oder Netzwerkorganisationen
werden die Mitarbeiter für die Zeitdauer des Projekts völlig
freigestellt, und einem selbständigen Projektbereich zugeordnet.
Tätigkeit der Arbeitsgruppe
-
Jedes Teammitglied verwendet einen Teil seiner regulären Arbeitszeit
auf die Arbeit in der Projektgruppe.
-
Der Auftrag der Projektgruppe wird vorgegeben, und die Besetzung der Mitglieder
erfolgt dementsprechend nach fachlichen Kriterien.
-
Nach der Abschluß der Arbeit löst sich die Projektgruppe wieder
auf.
Führung der Gruppe
-
Ein Projektleiter wird von Auftraggeber der Projektgruppe (z.B. dem Vorstand)
bestimmt.
Entlohnung
-
Normaler Zeitlohn, eventuell Gruppenprämien.
FAZIT: moderene Form der Zusammenarbeit in bereichsübergreifenden
Teams, die vor allem in mittleren und höheren Hierarchieebenen zu
finden sind.
-
Team-Selling
Wann?
-
In den 90er Jahren aufgekommenes Konzept, wonach auch im Vertrieb nach
sinnvollen Anwendungen von Gruppenarbeit gesucht wird.
Arbeitsorganisation des Betriebs
-
Team-Selling meint die Ausdehnung von Gruppenarbeit auf den Vertrieb. Dabei
arbeiten 3-12 Personen, entweder auf Projektbasis oder fest in der Organisationsstruktur
verankert, zusammen an vermaktungs- und kundenbezogenen Aktivitäten.
Tätigkeit der Arbeitsgruppe
-
Akquisitionsteams
Auftrag: Kontakt zu möglichen neuen Kunden herstellen.
Tätigkeit:
-
Adressbeschaffung und auswertung;
-
Neukundenrecherche, z.B. durch Telefonmarketing;
-
Initiierung von Akquisitionsprogrammen (Messen, Mailings, Werbung);
-
Definition von Kundenselektions- und Bewertungsstrategien;
-
Kontaktaufnahme und Vereinbarung von Gesprächsterminen;
-
Erstellung von Akquisitionsreportings.
-
Selling-Center
Auftrag: Verkauf von Produkten.
Tätigkeiten:
-
Erweiterung der Kundeninformationsbasis (Auskünfte über die Produkte);
-
Vorbereitung und Durchführung von Verkaufsgesprächen;
-
Produktdemonstration;
-
Entwicklung von Angeboten;
-
Festlegung von Angeboten;
-
Abschätzung von Verkaufserfolgs-Wahrscheinlichkeiten;
-
Kundenbetreuungsteams
Auftrag: Stammkunden aufbauen und binden oder auch Betreuung von Großkunden.
Tätigkeiten:
-
Erhöhung von Wiederkaufraten;
-
Abschätzung der Stabilität von Geschäftsbeziehungen;
-
Aufbau und Vertiefung von Kontaktnetzen;
-
Beschwerdemanagement;
-
Kundenprojektmanagement;
-
Cross-Selling Maßnahmen (Verkaufen von anderen Produkten aus der
Produktpalette an den selben Kunden);
-
Eingehen von Kundenallianzen;
-
Schaffung von Anreizsystemen für langjährige Geschäftsbeziehungen
und Partnerschaften;
-
Abstimmung von Schnittstellen zum Kunden.
Vom strategischen Hintergrund her werden Akquisitionsteams zusammen mit
Selling-Centern eingesetzt, um den Marktanteil innerhalb eines Teilmarktes
zu Vergrößern. Wenn als Unternehmensstrategie die Bildung und
Betreuung von Stammkunden im Vordergrund steht, sind Kundenbetreuungsteams
das Mittel der Wahl.
Entlohnung
-
Normaler Zeitlohn, Gruppenprämien.
FAZIT: Laut verschiedener Meinungen aus Betrieben sind Teams im Vertrieb
effektiver als untereinander über "Rennlisten" konkurierende "Einzelkämpfer".
Wann lohnt sich die Einführung von Gruppenarbeit für einen
Betrieb?
Indikatoren für Gruppenarbeit
(Hacker, 1994)
Hier steht der Arbeitsauftrag, den die Gruppe erhalten würde, im
Vordergrund. Er ist durch eine Arbeitsanalyse auf folgende Punkte zu prüfen:
Direkter
Leistungsgewinn
:
-
Gibt es Leistungsvorteile der Gruppe für den fragliche Aufgabentyp
im Vergleich zur Einzelarbeit?
Steigerung der
Effektivität des Arbeitssystems
:
-
Ist eine bessere Arbeitsmittelauslastung bei Gruppenarbeit als bei Einzelarbeit
anzunehmen?
-
Wird es einen Zuwachs an Flexibilität bei Gruppenarbeit geben, so
daß Produktwechsel oder Vertretbarkeit der Arbeitenden besser geregelt
wäre?
-
Sind Einsparungen von nicht direlt produktivem Personal (Wartungs-, Hilfs-
oder Führungspersonal) bei selbstorganisierter Gruppenarbeit zu erwarten?
-
Ist ein indirekter Leistungsgewinn (z.B. durch eine Reduzierung von Krankenstand
bzw. Fehlzeiten oder Fluktuation) bei Gruppenarbeit zu erwarten?
Literaturempfehlungen:
-
Antoni, C.H. (Hrsg.) (1994). Gruppenarbeit in Unternehmen: Konzepte,
Erfahrungen, Perspektiven. Weinheim: Beltz, Psychologie-Verl.-Union.
-
Larson, C.E. & LaFasto, F.M.J- (1989). TeamWork. Newbury Park, CA:
Sage Publications Inc.