Vergleichende Betrachtung von Shareholder Value und Stakeholder Value
Autorin: Caroline Simon Semester: SS 2000 Grundstudium
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Vergleichende Betrachtung von Shareholder Value und  Stakeholder Value



I. Einleitung

Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für die Rechtsform der Publikumsgesellschaft und gehen an die Börse, und eine zunehmende Internationalisierung der Kapitalmärkte ist zu beobachten. Diese Entwicklungen haben zur Folge, daß sich die Unternehmen in einem Spannungsfeld von wirtschaftlichem Erfolg einerseits und Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt andererseits befinden.

Þ Welche Ansprüche muß ein Unternehmen primär befriedigen?

Die Ansprüche der Kapitaleigentümer (Shareholder) oder die Ansprüche aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten (Stakeholder) ?

II. Der Shareholder Value Ansatz

A. Wesen und Ziel des Shareholder Value Ansatzes

Das 1986 von Alfred Rappaport entwickelte Konzept der wertorientierten Unternehmensführung stellt den Eigenkapitalgeber, den Shareholder, in den Mittelpunkt unternehmerischer Handlungen und Ziele.
Þ wertorientierte Unternehmensführung
Þ Konzentration auf die Interessen der Aktionäre

Die Aufgabe des Managements ist es, die aus dem Aktienbesitz resultierenden finanziellen Erträge (Kursgewinne, Dividenden, Bezugsrechte) der Anteilseigner zu maximieren.

B. Die Berechnung des Shareholder Value

Zur Berechnung des Shareholder Value wird ein Unternehmen in einzelne Geschäftseinheiten zerlegt und für diese Einheiten Geschäftspläne für einen Planungshorizont (5-10 Jahre) ermittelt.
Þ Ziel: Das Management kann anhand des Shareholder Value mehrere Strategiealternativen, die den Unternehmenswert beeinflussen, vergleichen.

Shareholder Value = Unternehmenswert – Fremdkapital

Aufgegliedert in die einzelnen Elemente ergibt sich folgende Berechnungsformel:
Brutto-Cash-Flow (= zukünftige, diskontierte Cash-Flows)

C. Vorzüge des Shareholder Value Ansatzes

1. Vorteile für die Unternehmensleitung
Þ eindeutig quantifizierbare Zahlengrößen ermöglichen den Vergleich verschiedener Strategiealternativen
Þ Ermittlung von für den Betrieb günstigen Daten
Þ Grundlage unternehmerischer Entscheidungen im Planungsprozeß

Es entsteht ein Anreiz für das Management, wertorientierte Handlungsentscheidungen zu treffen (Verhinderung von feindlichen Übernahmen, Austausch in der Unternehmensleitung).

2. Vorteile für die Anteilseigner
Þ wichtigste Kapitalgeber, stehen im Mittelpunkt des unternehmerischen Strategiefindungsprozesses

3. Vorteile im Bereich der strategischen Planung
Þ wesentliche strategische Planungsgrößen im Shareholder Value enthalten
(Zeitwert des Geldes, Kosten des Eigenkapitals, Marktwert des AV)

D. Problembereiche des Shareholder Value

1. Probleme bei der Berechnung des Shareholder Value
Þ Ungenauigkeiten/Fehler haben enorme Auswirkungen auf den errechneten Wert des Shareholder Value
Þ Probleme im Hinblick auf die Ermittlung der einzelnen Komponenten:

· Der freie Cash-Flow: leicht manipulierbar, da von vielen Wertgeneratoren beeinflußt (Manipulierung z.B. durch Einsparungen im Bereich AV und WC)
· Der Prognosehorizont: Schwierigkeit der einheitlichen Festlegung eines Planungszeitraumes (zukünftige Entwicklung von unterschiedl. Geschäftsfeldern unsicher)
· Der Restwert des Unternehmens (in Literatur unklar; hier: zusätzliche Cash-Flows aus nicht "normaler" Geschäftstätigkeit)

2. Kritik am Zielsystem des Shareholder Value Ansatzes

2.1. Der Zielmonismus des Shareholder Value Ansatzes:

Þ eindimensionale Ausrichtung sämtlicher unternehmerischer Aktivitäten am Ziel der Unternehmenswertmaximierung mit Orientierung am Interesse der Aktionäre
Þ Gefahr: Ineffizienzen, Existenzgefährdung des Unternehmens

Jedoch: Interesse der Aktionäre liegt im erfolgreichen Fortbestehen des Unternehmens; um das Primärziel der Unternehmenswertsteigerung erfolgreich realisieren zu können, müssen zwangsläufig wesentliche andere Stakeholder (Kunden, Mitarbeiter etc.) integriert werden.
Þ vermißt wird jed. eine gewisse Umsetzung (klare Innendarstellung der Verknüpfung mit anderen Zielen des Konzeptes)
Þ zur praktischen Umsetzung fehlen häufig die Zusammenhänge

2.2. Geringe öffentliche Akzeptanz des Shareholder Value Ansatzes
Þ negatives Image im europäischen Raum (rücksichtsloser Eigentümerkapitalismus, Stellenabbau )

3. Die Problematik der Prinzipal-Agent-Theorie

Unterschiedliche Zielsetzungen von Managern (hohe Vergütung, Macht, Prestige) und Anteilseignern (Maximierung des Marktwertes ihrer Anteile)
Þ Gefahr: Unternehmenspolitik orientiert sich nicht hinreichend am Interesse der Anteilseigner
Þ Lösungsvorschlag: Unternehmenswertorientierte Entlohnung in Form von Wandel- und Optionsanleihen
Þ Die Führungskräfte erhalten durch die unternehmenswertorientierten Entlohnungsmodelle den Ansporn, aus eigenem Interesse den Unternehmenswert zu steigern.

III. Der Stakeholder Value Ansatz

A. Wesen und Ziel des Stakeholder Value Ansatzes

Dieser Ansatz betrachtet Unternehmen als quasi öffentliche Institutionen, die u.a. auch soziale und politische Verantwortung tragen. Demnach müssen möglichst alle Anspruchsgruppen in die strategische Unternehmensplanung miteinbezogen werden.
Þ Ziel: Sicherung einer dauerhaften Existenz des Unternehmens

Stakeholder: Geschäftsleitung, Verwaltungs-, Aufsichtsrat, Kunden, Öffentlichkeit, Aktionäre, Arbeitnehmer, Lieferanten, Staat

B. Die Vorzüge des Stakeholder Value Ansatzes

1. Relativierung der Rolle der Anteilseigner
Durch die Berücksichtigung sämtlicher (differierender) Zielvorstellungen der verschiedenen Anspruchsgruppen wird eine Nutzenmaximierung für nur eine Anspruchsgruppe vermieden.
Þ kein Zielmonismus
Þ keine Bevorzugung der Anteilseigner

2. Anpassung an europäische Verhältnisse
Die soziale und politische Verantwortung europäischer Großunternehmen führt zu vermehrter Akzeptanz des Konzeptes.

C. Defizite und Nachteile des Stakeholder Value Ansatzes

1. Methodische Kritikpunkte
· die methodischen Schwachstellen des Shareholder Value gelten auch für den Stakeholder Value
· Ziel des koalitionskonformen Überlebens des Unternehmens verhindert eventuell zum Überleben notwendige Zerschlagung von Unternehmensteilen
· insgesamt neun Anspruchsgruppen führen zu immenser Heterogenität und sind aufgrund der Komplexität für die Praxis häufig unbrauchbar

2. Kritik am zugrundeliegenden Unternehemsverständnis
Streben nach einer möglichst gleichen Wertschaffung für alle Anspruchsgruppen verursacht einen erheblichen Planungsaufwand
Þ Akzeptanzprobleme im Management aufgrund Komplexität, Implementierungsschwierigkeit

Abb 1. faßt die wichtigsten Merkmale der beiden Ansätze zusammen.

Abbildung 1: Gegenüberstellung von Shareholder Value und Stakeholder Value


Shareholder Value Stakeholder Value
- Unternehmensziel Wertorientierte Unternehmens-
führung; Maximierung des
Aktionärsnutzens

Nachhaltiges, sinnvolles Überleben
des Unternehmens
- Hauptanspruchs-

gruppe

Aktionäre (Anteilseigner) sämtliche Anspruchsgruppen (Management, AR, Kunden, Öffentlichkeit, Aktionäre, Arbeitnehmer, Lieferanten, Staat)
- Dimension eindimensional (jed kritisierbar) mehrdimensionale Sicht
- methodische Defizite Einzelkomponenten (des Cash-Flows etc.) aufgrund von
Prognosen mit Unsicherheit verbunden
Einzelkomponenten (des Cash-Flows etc.) aufgrund von Prognosen
mit Unsicherheit verbunden
- Erfolgsmaßstab Wertsteigerung Befriedigung sämtl. Anspruchsgruppen
- Hauptprobleme - Manipulierbarkeit
- Fehlende Verbindung zu
operativen Zielen
- Umsetzungsschwäche
- schlechtes Image



- Heterogenität der Ansprüche
- Unübersichtlichkeit/Komplexität
- fehlende Zielpräzisierungen
- Akzeptanzprobleme im
Management



Quelle: eigene Darstellung



IV. Die Balanced Scorecard

Die Balanced Scorecard – der ausgewogene Berichtsbogen – ist ein neues Instrument der Leistungsmessung, das anhand einer durchgängig wertorientierten Unternehmenssteigerung effektive Steuerungsansätze für Unternehmen liefern soll. Dabei wird das Unternehmen aus vier verschiedenen Perspektiven (Kunden, Finanzwirtschaft, Geschäftsprozesse, Mitarbeiter/Lernen) betrachtet. Ziel ist es, ein Gleichgewicht zwischen den vier Perspektiven anzustreben.

Bei der Balanced Scorecard (BSC) werden Shareholder Value bezogene Kennzahlen verwendet
Þ Aufgabe des Managements: Integrierung der errechneten Größen in die BSC, um Wertsteigerungen zu erreichen.
Þ Ziel: Der Shareholder Value soll die BSC unterstützen und mit ihr verkettet werden, um evtl. Synergieeffekte erreichen zu können
Þ Verbesserte Akzeptanz des Konzeptes aufgrund gesamthafter Sicht des Unternehmens

In die BSC dürfen lediglich diejenigen Faktoren aufgenommen werden, die hochgradig wettbewerbsentscheidend sind.
Þ Konzentration auf die Schlüsselgrößen des Geschäfts
Þ Vermeidung von Unübersichtlichkeit, Komplexität

Die BSC versucht, die Eindimensionalität des Shareholder Value Ansatzes und die Komplexität des Stakeholder Value Ansatzes zu vermeiden.

Unter der Voraussetzung der fortwährenden Verbesserung ihrer eigenen Schwachstellen könnte die BSC es schaffen, sich anhand einer erfolgreichen Implementierung der beiden Ansätze zu einem erfolgsversprechenden Werkzeug für Manager zu etablieren.



Literaturhinweise:

Brune, J.: Der Shareholder-Value-Ansatz als ganzheitliches Instrument strategischer Planung und Kontrolle. Köln 1995

Meier-Scherling, P.: Shareholder Value Analyse vs. Stakeholder Management: Unternehmenspolitische Grundkonzeptionen als Ansätze zur Erweiterung der Theorie der Unternehmung. Darmstadt 1996

Horváth, P., Kaufmann, L.: Balanced Scorecard – Ein Werkzeug zur Umsetzung von Strategien. In: Harvard Business Manager 1998, 5, S. 38ff.



Definitionen für Internet-Lexikon:

Shareholder Value: (= Wert des Eigenkapitals bzw. Wert des Vermögens der Aktionäre)

Der Shareholder Value Ansatz ist ein Konzept der wertorientierten Unternehmensführung, das den Eigenkapitalgeber, den sogenannten Shareholder, in den Mittelpunkt unternehmerischer Handlungen und stellt. Ziel der Unternehmensführung ist es, den Shareholder Value, also den Wert des Eigenkapitals, zu erhöhen. Der Shareholder Value wird wie folgt berechnet:

Shareholder Value = Unternehmenswert – Fremdkapital



Stakeholder Value: Der Stakeholder Value Ansatz als Form der Unternehmensführung versucht, sämtliche Interessengruppen, die in das betriebliche Geschehen involviert oder von diesem betroffen sind, in die strategische Unternehmensplanung miteinzubeziehen. Ziel des Stakeholder Value Ansatzes ist es, eine dauerhafte Existenz des Unternehmens zu sichern.

Balanced Scorecard: Die Balanced Scorecard – der ausgewogene Berichtsbogen – ist ein neues Instrument der Leistungsmessung, das anhand einer durchgängig wertorientierten Unternehmenssteigerung effektive Steuerungsansätze für Unternehmen liefern soll. Dabei wird das Unternehmen aus vier verschiedenen Perspektiven (Kunden, Finanzwirtschaft, Geschäftsprozesse, Mitarbeiter/Lernen) betrachtet. Ziel ist es, ein Gleichgewicht zwischen den vier Perspektiven anzustreben.

Prinzipal-Agent-Theorie: Konfliktpotential zwischen den Zielsetzungen des Unternehmens
(Unternehmenswertsteigerung) und den Zielen der Manager (Macht, Prestige).





















































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