"Nachdenkliches"
zu Shareholder Value, Stakeholder Value und Balanced Scorecard
Hauptstudium
Autor: Prof. Beyer Word PDF

"Nachdenkliches" zu
Shareholder Value, Stakeholder Value und Balanced Scorecard


  1. Die Finanzkennzahl des Shareholder Value verkörpert zwar keinen Zielmonismus, aber dem Konzept fehlen Hinweise auf kausale Verknüpfungen mit anderen Zielen, obwohl solche nachweisbar sind (vgl. z. B. Kundenwert /Kundenbindung und Shareholder Value).

  2. Unternehmen, die das Primärziel der Steigerung des Shareholder Value nicht durch das Teilziel der Zufriedenheit anderer Stakeholder, insbesondere Kunden und Mitarbeiter, fundieren bzw. absichern, werden auch ihr Primärziel einer überdurchschnittlichen Steigerung zukünftiger Cash Flows nicht erreichen .
    Wie empirische Untersuchungen belegen ( Anderson/Fornell/Lehmann ), führt eine höhere Kundenzufriedenheit, sofern damit eine bessere Kundenbindung (höhere Wiederkaufwahrscheinlichkeit) einhergeht, zu höheren Cash-Flow-Rückflüssen. (Das gilt nicht unbedingt auch für einen höheren Marktanteil.)
    Ähnliche Überlegungen gelten für die über das Betriebsklima, Fehlzeiten und Fluktuationsraten sowie die Zahl der geäußerten Verbesserungsvorschläge gemessene Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterloyalität (vgl. hierzu die Kausalketten zum Kundenwert und zum Mitarbeiterwert ).
    Auch eine neue Studie ( Deloitte Consulting ) zeigt, daß eine engagierte Kundenbindung international tätiger Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe Wachstum und Shareholder Value positiv beeinflußt. Zur engagierten Kundenbindung gehört es auch, im Rahmen "strategischer Visionen" die bedeutendsten Kunden herauszufinden (vgl. hierzu die Kundenwertanalyse ).
    Vom Konzept her sind also wesentliche andere Stakeholder (Kunden, Mitarbeiter) zwangsläufig in das Shareholder-Value-Konzept integriert , soll das Primärziel erfolgreich realisiert werden. Aber die Umsetzungsschwäche des Shareholder Value ("Innendarstellung") ist unübersehbar.
  3. Dem Shareholder Value fehlen die Verbindung zu den operativen Zielen (anders: Balanced Scorecard) sowie Frühindikatoren.
  4. Der Shareholder Value erfaßt über den diskontierten Cash Flow wesentliche Werttreiber , ist aber auch von außen manipulierbar (Informationspolitik, Aktienrückkauf/ Erhöhung des Fremdkapitals/Leverage, Wahl des Zeithorizonts, Entscheidung über die Höhe des Zinsfußes...).
  5. Der Shareholder Value als ein in erster Linie am Finanzmarkt orientierter Ansatz dient primär der " Außendarstellung " eines Unternehmens. Doch auch diese Außendarstellung gelingt nicht überzeugend. Vgl. zum Beispiel pauschale Aussagen wie: "Maximiere den Aktienkurs bzw. den Erfolg Deiner Aktionäre" oder "Shareholder Value und Entlassungen entwickeln sich parallel".
  6. Die Führungskräfte sollten beim ShareholderValue unbedingt variabel (vgl. Aktienoptionen ...) – gebunden an Verbesserungen des langfristigen Unternehmenswertes – vergütet werden (vgl. die Problematik der Prinzipal-Agent-Theorie).
  7. Liegt die Rendite eines Unternehmens unter den Fremdkapitalkosten, wirkt der Leverage -Effekt negativ (Rentabilität des Eigenkapitals sinkt). Die dann notwendige Senkung der Fremdkapitalkosten gelingt oft nicht (Gefahr des zu risikofreudigen Finanzgebarens mit Liquiditätsgefährdung).
  8. Der Stakeholder- Value -Ansatz läßt sich partiell in den Shareholder -Value -Ansatz und die Balanced Scorecard integrieren, ist allein jedoch wegen der Heterogenität der Ansprüche, fehlender Zielpräzisierungen, der Gefahr von "faulen Kompromissen" und der Komplexitätserhöhung für die Praxis unbrauchbar. Vergleiche auch die Verwandtschaft zu Problemen des Schnittstellenmanagements .
  9. Die Balanced Scorecard - alter Wein in neuen Schläuchen - hat den Vorzug, als Managementsystem Strategien in (monetäre und nicht monetäre) operative Größen und konkrete Aktionen zu übersetzen. Doch die propagierten Kausalitäten (Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge) werden kaum nachgewiesen , ebensowenig die Interdependenzen zwischen den verschiedenen Perspektiven, obwohl solche bestehen.
  10. In der "Kundenperspektive" des Balanced-Scorecard-Ansatzes gehen Kaplan/Norton davon aus, daß (hohe) Kundenzufriedenheit zur langfristigen Kundentreue führt, ebenso zur erleichterten (Neu-)Kundenakquisition und damit insgesamt zu höherer Kunden-rentabilität ("Nettogewinn pro Kunde" = Umsatz abzüglich der für den Kunden entstandenen Ausgaben).

  11. Vergleichen wir nun diese Perspektive mit der unter Punkt 1. dargestellten Kausalkette zwischen Kundenzufriedenheit und dem Shareholder- bzw. dem Stakeholder-Value-Ansatz, werden die Parallelen zwischen diesen drei Ansätzen deutlich, auch wenn der Shareholder Value selbst bei Kaplan/Norton eher in der "Finanzperspektive" untergebracht ist. Die Kunden- und Finanzperspektiven der Balanced Scorecard zeigen zumindest große Ähnlichkeit mit den auf die Anspruchsgruppen Eigenkapitalgeber (Aktionäre), Fremdkapitalgeber, Kunden und Mitarbeiter eingegrenzten Shareholder-Value- und Stakeholder-Value-Ansätzen.
  12. Noch zu schwach fundiert sind bei der Balanced Scorecard die (interne) prozeßbezogene Perspektive und die Potentialperspektive ( Lern- und Innovationsperspektive ).
  13. Die Zukunftsaufgaben bestehen darin, die BalancedScorecard als fruchtbarsten der drei Ansätze weiterzuentwickeln, mit dem Informationsmanagement zu verbinden, in das Controllingsystem zu integrieren, den Shareholder Value in deren Finanz-perspektive einzubeziehen, Kausalitäten aufzudecken, zu untermauern u.a.






© Prof. Beyer 2001




Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de