Der Wandel im Unternehmen und die Verbindung zum Change Management
Referent: Gerhard Troch Semester: WS 1999/2000 Hauptstudium
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Der Wandel im Unternehmen und die Verbindung zum Change Management



A.) Die Bedeutung des permanenten Wandels für das Unternehmen

Wandel und Veränderungen sind keine neuen Phänomene, aber Veränderungszyklen haben sich verkürzt, Veränderungen sind weniger gut und genau vorherzusehen, insgesamt ist das Ausmaß erforderlicher Anpassungsmaßnahmen größer und tiefgreifender geworden.

Beispielhafte Indikatoren für den härter werdenden "Zeitwettbewerb" sind:

· die Verkürzung von Produktlebenszeiten
· der Rückgang von Produktentwicklungszeiten
· der Anstieg der Innovationsgeschwindigkeit
· die Häufigkeit von Technologiesprüngen
· die Beschleunigung von Kommunikationsprozessen in der heutigen Informationsgesellschaft

Da sich dadurch die Anforderungen an den Mitarbeiter immer wieder drastisch verändern, ist der Faktor "Mensch" wesentlicher Bestandteil aller Veränderungsprozesse und gleichermaßen der kritische Erfolgsfaktor.

Zentrale Punkte für den erfolgreichen Wandel sind deshalb:
· die konsequente Einbeziehung der Mitarbeiter in den Reorganisationsprozeß
· die schrittweise Anpassung der Unternehmenskultur durch die Veränderung des Mitarbeiterverhaltens

Korrektur der Unternehmenskultur, der wichtigste und zugleich schwierigste Teil einer betrieblichen Umgestaltung, nicht ausreichend berücksichtigt wird.

I.) Zum Begriff Unternehmenskultur

Seit den 80 er Jahren wird der Begriff Unternehmenskultur im Zusammenhang mit dem Oberziel einer Organisation, als Wegweiser für die strategische Unternehmensführung verwendet, wobei er oft im Zusammenhang mit den Begriffen:

· Unternehmensphilosophie, · Unternehmensleitbild, · Unternehmensidentität, · Unternehmensgestaltung verwendet wird. Def.: Es handelt sich um Werte, Normen, Einstellungen, Überzeugungen und Ideale. die sich im Laufe der Zeit in jedem Unternehmen unterschiedlich entwickeln und allmählich zur natürlichen "Arbeitsweise" werden.

II.) Zwölf wichtige unternehmenskulturelle Einflußfaktoren:

· Unternehmensleitung/Führungskräfte · Unternehmensgeschichte/Tradition
· Technologie/Produkte & Dienstleistu. · Branche und Konkurrenz
· Kunden und Kundenerwartungen · Erwartungen des Unternehmens

Þ Unternehmenskultur Ü
· Informations- und Kontrollsysteme · Gesetzgebung und Firmenumfeld
· Vorgehensweisen und Strategien · Belohnungssysteme & Bemessungskr.
· Organisation und Mittel · Ziele Wertvorstellungen und Überzeug.

III.) Warum Unternehmenskultur so schwer zu verändern ist:

  1. Verhaltensweisen und Vorgehensweisen werden, nachdem sie sich für die Bewältigung eines Problems immer wieder als Lösung bewährt haben, zunehmen als Selbstverständlichkeit und Routine betrachtet, so daß sie im Laufe der Zeit immer weniger in Frage gestellt werden und sich allmählich dem kritischen Bewußtsein der Gruppenmitglieder entziehen.
  2. Unternehmen, die auf eine lange Geschichte erfolgreichen routinierten Handels zurückblicken können, sind häufig besonders resistent gegen Wandel, weil sie die Notwendigkeit einer Kurskorrektur oft lange Zeit nicht wahrhaben wollen.
  3. Die Herausbildung von Verhaltens- und Handlungsmustern bedeutet für den Einzelnen Sicherheit, und Stabilität und befriedigt das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung und Zusammengehörigkeit.
  4. Jedweder Wandel ruft grundlegende menschliche Ängste hervor: Angst vor der ungewissen Zukunft, dem Verlust an Sicherheit, Stabilität sowie der sozialen Anerkennung.
IV.) Sechs Thesen für die bewußte Veränderung bestehender Unternehmenskultur
  1. Jedes Unternehmen muß seinen eigenen Weg der Veränderung finden
  2. Kultur ist nur in unternehmensspezifischen, oft sehr engen Grenzen veränderbar
  3. Kulturveränderungen sollen sowohl die Stärken als auch die Schwächen der bestehenden Unternehmenskultur systematisch nutzen
  4. Die Veränderung von Unternehmen ist an kollektives Lernen in Gruppen gebunden
  5. Kultureller Wandel sollte über positiv kodierte Rückkopplungen angestoßen werden
  6. Kulturveränderungen setzen ein entsprechendes Problembewußtsein und Motivation für Veränderungen voraus
B). Das maßgeschneiderte Change Managementkonzept: "Anreiz zu Wandel"

I.) Zehn "Stellschrauben" einer Reorganisation nach Maß

Mit Hilfe des im folgenden Abschnitts vorgestellten "Werkzeugkastens" lassen sich Reorganisationen unter gegebenen zeitlichen und finanziellen Beschränkungen auf die Präferenzen der betroffenen Mitarbeiter sowie auf die Wissens- und Machtverteilung im jeweiligen Unternehmen maßschneidern.

Das Management sieht sich dabei, mit seinen ihm zur Verfügung stehenden zehn "Stellschrauben", in ein Spannungsfeld zwischen personellen und strukturellen Kontextfaktoren versetzt, was mit der folgenden Abbildung verdeutlicht werden soll.


Quelle: Freudenberg/Gaßner/Picot, Die neue Organisation ganz nach Maß geschneidert, HBm (5/99), S.49

  1. Analytische Vorarbeiten

  2. Mit diesem erste Schritt zu einer Reorganisation soll die Notwendigkeit einer Veränderung erkannt werden.
    Handlungsbedarf signalisieren beispielsweise die folgenden Indikatoren:

    · technologischer Wandel, der die Zukunft stark beeinflussen wird
    · unbefriedigende Finanzdaten, die zu einer Unternehmenskrise führen können
    · häufige Beschwerden von Kunden und Lieferanten
    · oder Unzufriedenheit innerhalb der eigenen Belegschaft.

    Mit Hilfe der bereits bekannten zwölf unternehmenskulturellen Einflußfaktoren kann die bestehende Organisation analysiert und auf ihre Schwächen hin untersucht werden und die Richtung festgelegt werden, damit die Stukturveränderung zum Erfolg führt.

  3. Teambildung: Die Einbindung der Mitarbeiter in den Reorganisationsprozeß

  4. Damit können mindestens die Fünf folgenden positiven Effekte erzielt werden:
    · Mitarbeiterwissen hilft die Schwächen aufzudecken und Lösungsansätze zu formulieren
    · Partizipationsmöglichkeit wirkt motivierend und ermöglicht die Zukunftsmitgestaltung
    · bessere Akzeptanz und Abbau von Ängsten durch rege Diskussionsmöglichkeiten
    · Abbau von Aggression und Unzufriedenheit durch konstruktive, kritische Aussprachen
    · positiver Informationsaustausch zwischen Mitarbeitern und Projektteams

    Diesen positiven Effekten steht jedoch ein hoher Zeit und Mittelbedarf für Kommuniktons- und Abstimmungsprozesse gegenüber, so daß auch hier nach einer optimale Lösung gefunden werden muß. (s.h. Folie: Vier Grundmuster der Mitarbeitereinbindung)

  5. Offenlegung von Wissen mit Hilfe der geeigneten Kommunikationswege

  6. · persönliches Gespräch: wird vor allem bei schwierigen Sachverhalten sehr geschätzt, weil Mißverständnisse durch konkretes Nachfragen beseitigt werden können
    · schriftliche Offenlegung: Fragebögen, Mitarbeiterzeitungen, Intranet-Seiten und eingereichte Verbesserungsvorschläge ermöglichen eine bessere Verwertung der Informationen
    · weitere Kommunikationskanäle: Sprechstunden, Betriebsversammlungen ermöglichen, daß spontane, zunächst ungeplante Ideen der Mitarbeiter mit berücksichtigt werden können
  7. Machtpolitische Stabilisierung: Umgang mit den starken Einflußfaktoren

  8. · Unterstützer müssen in ihren Überzeugungen und Machtpositionen gestärkt werden
    · Gegner müssen entweder überzeugt oder entmachtet werden
    · eine geschlossene Führungskoalition bildet das machtpolitische Rückgrat
    · Widerstand sollte nicht unterdrückt werden und vor Entscheidungen geäußert werden
  9. Setzen von Anreizen durch Nutzenmaximierung beim Mitarbeiter

  10. Der Anreizeffekt einer Gestaltungsmaßnahme im Rahmen einer Reorganisation bestimmt sich nach dem Nutzen, der dem Mitarbeiter winkt. Man spricht von "Win/Win" oder "Gold-esel-Anreizen", wenn das richtige Verhältnis zwischen Nutzen für den Mitarbeiter und Kosten für das Unternehmen erreicht wird. (s.h. Folie: Anreiz – Top oder Flop?)
  11. Controlling: Festlegung von Zielen und Teilzielen

  12. Es ist wichtig den Grad der Zielerreichung bestimmen zu können. Möglich ist die Leistungsmessung mit Hilfe von Kennzahlensystemen. Sie erhöhen nicht nur die Informationstransparenz und ermöglichen eine Überwachung der Zielerreichung, sie zwingen auch das Management bei der Planung der Ziele und Abläufe alles bis zum Ende zu durchdenken und zu quantifizieren.
  13. Kommunikation zur Steuerung der Wahrnehmung der Mitarbeiter

  14. Damit die geplante neue Struktur den Mitarbeitern ebenso verständlich ist, wie der Prozeß des Wandels dorthin, müssen sie vom Management ausgiebig über die bevorstehenden Veränderungen informiert werden, inoffiziellen Informationsquellen ist die Bedeutung zu nehmen, damit die Mitarbeiter ein unverzerrtes Bild von der Reorganisation erhalten.

    Wichtige Faktoren die dem Mitarbeiter den Handlungsbedarf erklären können sind dabei:

    · hochrangige, glaubwürdig erscheinende Kommunikatoren mit positiver Ausstrahlung
    · Entwurf einer attraktive Vorstellung von der Organisation in einigen Jahren
    · Formulierung abstrakter und zugleich verständlicher Reorganisationsziele

  15. Aktivieren der gesellschaftlichen Normen

  16. Menschliche Verhalten kann nicht nur durch Anreize und Sanktionen gelenkt werden, sondern auch durch Verhaltensnormen.
    Zu den weitverbreiteten Normen in westlichen Industrieländern zählen dabei:
    · die Reziprozitätsnorm: Menschen wollen bei Empfang einer bedingungsfreien Leistung dem Leistenden direkt oder später eine gleichwertige Gegenleistung zukommen lassen
    · die Gerechtigkeitsnorm: Menschen bemühen sich das in ihren Augen Gerechte zu tun
    · die Überzeugtheitsnorm: Menschen bemühen sich das ihrer persönlichen Überzeugung nach sachlich richtige zu tun
  17. Trainingsmaßnahmen: Seminare, Workshops, Handbücher oder Training "on the job"

  18. Trainingsmaßnahmen in Bezug auf Reorganisationen haben mindestens drei Funktionen:
    · sie dienen dem Zweck, bei Mitarbeitern Können auf- und auszubauen, so daß sie ihre neuen Aufgaben fachlich, methodisch und zwischenmenschlich besser bewältigen können
    · Steigerung der Motivation durch Schulungen, die als soziale Anerkennung aufgefaßt werden und gleichzeitig die Angst vor neuen Aufgaben durch bessere Qualifikation beseitigen
    · sie stellen eine Investition in das Humankapital dar und unterstreicht damit den Willen und die Glaubwürdigkeit des Managements
  19. Timing: Verteilung des Zeitbudgets auf die neun genannten Reorganisationsschritte

  20. Die genannten Reorganisationsschritte unterliegen zwar nachwievor einer mehr oder weniger starken Zeit- und Budgetrestiktion, je nach Art und Weise des verteilten Reorganisationswissens, der spezifischen Machtverteilung und den unterschiedlichen Präferenzen der Mitarbeiter.

    Es lassen sich aber trotzdem einige Faustregeln für das richtige Timing finden:
    · das Timing zwischen den Projektschritten sollte in einem ebenso raschen wie festen Rhythmus unter dem selben Zeitdruck erfolgen (Time-Pacing)
    · beim Timing innerhalb jedes Projektschritts sollte der Zeitdruck so groß sein, daß er die Mitarbeiter zu effizienter und strikt an die Projektziele orientierter Arbeit zwingt
    · Zeitzugaben können besonders leistungsfähige Teams dazu führen, daß diese ihre Leistung nochmals steigern oder durch die vorzeitige Zielerreichung motiviert werden
    · ein zu enger Zeitrahmen kann Projektgegnern ihren Handlungsspielraum begrenzen
















































    Literaturangaben:

    · Bothe I.:Was Unternehmen tun können um ihre Kultur zu verändern. Zum produktiven Umgang mit Widerständen gegen Wandel. http://www.safu.de~herbst/bothe.htm .

    · Freudenberger H./ Gassner W./ Picot A.: Die neue Organisation - ganz nach Maß geschneidert. In: Harvard Bussinessmanager, 21 Jg., Hamburg, B 05/1999.

    · Kehrsbach-Gnath C.: Den Wandel im Unternehmen steuern: Faktoren für ein erfolgreiches Change Management. Frankfurter Allgemeine Zeitung,. Verl.-Bereich Wirtschaftsbücher, 1992














Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de