Warum ist die tarifliche Arbeitszeitverkürzung kein effizienter Weg zur Mehrbeschäftigung im Unternehmen? | |||
Autor: Steffen Müller | Semester: WS98/99 | Hauptstudium | |
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Warum ist die tarifliche Arbeitszeitverkürzung
kein effizienter Weg zur
Mehrbeschäftigung im Unternehmen?
1 Definition von Arbeitszeitverkürzung (AZV)
Herabsetzung der planmäßig zu leistenden Anzahl der Arbeitsstunden innerhalb eines beliebigen Referenzzeitraums, so daß per Saldo die Summe der geleisteten Stunden sinkt. ( Vgl. Hüpen, R. (1994), a. a. O., S. 6f.)
2 Formen der Arbeitszeitverkürzung
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1950..............................2.309
Stunden
|
®
Im internationalen Vergleich
hat Deutschland die kürzeste tarifliche Jahresarbeitszeit!
4 Mögliche beschäftigungsrestriktive Folgen der tariflichen AZV aus betrieblicher Sicht
4.1 Auswirkungen von Neueinstellungen auf die Kostensituation
Neueinstellung von Arbeitnehmern zur Aufrechterhaltung der Produktion führt zur Kostensteigerung:
® Fixkosten der Arbeit (abhängig von der Zahl der Beschäftigten): z. B. Verwaltungsaufwand, Weiterbildungs-maßnahmen, soziale Leistungen, Einarbeitungskosten; evtl. größerer Betriebsrat, mehr Betriebsärzte; mehr Pflichtplätze für Behinderte etc. nötig
Folge:
Wettbewerbseinbußen im internationalen
Vergleich (und damit Gefährdung der Arbeitsplätze).
Ein ausgelasteter Betrieb kann zur Aufrechterhaltung der Produktion die AZV durch Überstunden kompensieren.
a) Steigerung der Produktivität
Ziel: Kompensation der durch die tarifliche AZV induzierte Kostenexpansion durch:
(1) Rationalisierung im technischen Bereich (Betriebsmittel,
Werkstoffe)
(2) Rationalisierung im Bereich der menschlichen Arbeit
(3) Rationalisierung im Bereich des dispositiven Faktors
(Organisation)
(4) Substitution von Arbeit durch Kapital (Mechanisierung,
Automatisierung
(z. B. Industrieroboter, CNC-Maschinen)
)
Folge:
Kein bzw. negativer Beschäftigungseffekt.
4.2.3 Reduktion des eigenen (inländischen) Produktionsvolumens
® resignative Strategie: Verlagerung von Produktionskapazitäten in das kostengünstigere Ausland
Folgen:
Kein bzw. negativer Beschäftigungseffekt,
Umsatzeinbußen
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Nebenstehende Tabelle zeigt, daß Deutschland in den Folgejahren der massiven tariflichen AZV den größten Anteil der Rationalisierungs-investitionen an den gesamten Ausrüstungs-investitionen im Vergleich zu den wichtigsten europäischen Hauptkonkurrenzländern hatte. |
Quelle: Geer, R. (1993): Die 35-Stunden-Woche
ist und bleibt falsch. Eine "Zwischenbilanz" der Arbeitszeitverkürzung
aus der Sicht der Arbeitgeber. In: Hampe, P. (Hrsg.): Zwischenbilanz der
Arbeitszeitverkürzung. (= Tutzinger Schriften zur Politik, Bd. 1).
München, S. 71.
4.3 Weitere Auswirkungen von tariflichen Arbeitszeitverkürzungen
4.3.1 Fachkräftemangel
4.3.2 Benachteiligung kleiner und mittlerer Betriebe
Die
Inhomogenität der Tätigkeiten,
die
Unteilbarkeit
der Sachanlagen
und
ggf. die
Facharbeiterlücke
haben
zur Folge, daß gerade die KMU weniger flexibel reagieren können
und damit besonders von Folgekosten der AZV betroffen werden.
4.3.3 Akzeptanzprobleme seitens der Arbeitnehmer
Die mit Lohnkürzungen verbundenen AZVen werden bisweilen von den
Arbeitnehmern abgelehnt.
Folge:
Unzufriedenheit, geringere Arbeitsmotivation, höherer
Krankenstand, geringere Fertigungsqualität (vgl. Volkswagen nach Einführung
der 4-Tage-Woche)
5 Effizientere Strategien zu mehr Beschäftigung durch Arbeitszeitverkürzung
®
nicht tarifliche, sondern
individuelle, auf die betriebliche Situation ausgerichtete AZVsmaßnahmen
®
mehr Arbeitszeitflexibilität
(Entkopplung der Betriebs- von der Arbeitszeit) zur Kostenreduktion
Literaturhinweise
Rübel, G. (1997): Arbeitszeitverkürzung oder längere Arbeitszeit? In: Wirtschaftsdienst, H. 1, S. 37-44.
Zur Vertiefung:
Hüpen, R. (1994): Arbeitszeit, Betriebszeit und Beschäftigung: Produktionstheoretische Grundlagen und Beschäftigungseffekte kollektiver Arbeitszeitverkürzung. Wiesbaden.