Die Strategie der Gewinner Hauptstudium
Autor: Prof. Beyer PDF

Die Strategie der Gewinner

Synergien durch kundenorientierte Wertschöpfungspartnerschaft



1. Die Anforderungen internationaler Märkte
2. Kunden und Lieferanten im Wertschöpfungsnetzwerk
3. Erwartungen und Probleme der Wertschöpfungspartner

a) Erwartungen der Zulieferer
b) Erwartungen der Hersteller
4. Lösungsansätze und ihre Umsetzung
a) Zielvereinbarungen mit langfristigen Verträgen
b) Betriebsoptimierung (Kunden- und Kernkompetenzorientierung)
c) Systemoptimierung
d) Systemnutzen
e) Closed Shop
f) Systemorganisation




5. Controlling im Gesamtnetzwerk
a) Geschäftsprozeßkennzahlen
b) Marktkennzahlen
c) Verhaltensprozeßkennzahlen
d) Gesamterfolgskennzahlen


6. Fazit

1. Die Anforderungen internationaler Märkte

Wer künftig auf internationalen Märkten erfolgreich agieren will, muß sich im Wettbewerb profilieren, indem er seinen Kunden individuellen Nutzen stiftet (Kundennutzen). Er hat also Produkte und Dienste mit Leistungsmerkmalen anzubieten, die gerade für seine Kunden bzw. deren Abnehmer sehr wichtig sind. „Wert"-Schöpfung für den Kunden heißt, dessen Bedürfnisse gut zu erfüllen und dessen Probleme umfassend zu lösen, ihn also insgesamt auf seinem Markt erfolgreicher zu machen und ihm damit zu einem Vorsprung vor seiner Konkurrenz zu verhelfen (durchgängige Nutzenorientierung).

Die gebotenen Wettbewerbsvorzüge in bezug auf Qualität, Preis und Zeit müssen den Erwartungen entsprechen, ja diese - zumindest bei den aktuellen und potentiellen A-Kunden - wenigstens teilweise sogar übertreffen. Gerade hier bestehen über die erreichte Kundenzufriedenheit die größten Ansatzpunkte zur Profilierung im Wettbewerb und zur dauerhaften faktischen wie emotionalen Kundenbindung. Daß diese durchgängige Kundenorientierung  noch keineswegs selbstverständlich ist, ist hinreichend bekannt.

Wie fruchtbar eine solche konsequente Ausrichtung an den Marktbedingungen sein kann, wird schon an der Tatsache erkennbar, daß bisher 60 bis 80 Prozent aller erfolgreichen Innovationen vom Markt bzw. direkt vom Anwender angeregt wurden und nur 20 bis 40 Prozent ihre Impulse durch neue Technologien und naturwissenschaftliche Erkenntnisse erhielten (Halin 1995 und die dort genannten Quellen). Die frühzeitige Beteiligung des Letztanwenders am Innovationsprozeß führt also nachweisbar zu einer qualitativen Verbesserung der erzielten Resultate. Damit sinkt zugleich das Verwertungsrisiko beachtlich.
Entscheidend kommt es bei dieser Strategie darauf an (Abb.1),

(a) Präferenzen zu schaffen, d.h. mit Eintrittsbarrieren gegenüber der Konkurrenz einen Imitationsschutz aufzubauen, so daß diese den gebotenen qualitativen, preislichen und zeitlichen Leistungsvorteil nicht so schnell, zumindest nicht kurzfristig, nachvollziehen kann (Genau hier setzt die Diskussion um die sinnvolle, aber auch notwendige Konzentration auf die betrieblichen Kernkompetenzen an.),

(b) dem Kunden den gebotenen subjektiven Nutzen so transparent zu machen, daß er die Vorteile - zum Beispiel Kostenersparnisse oder qualitative Vorzüge - auch tatsächlich wahrnimmt,

(c) diesen Nutzen im Sinne einer umfassenden Problemlösung zu gestalten.

Zu einer solchen Problemlösung gehört

· erstens, daß Komplettsysteme  geliefert werden: So hat zum Beispiel der Hersteller von Industrie- oder Servicerobotern nicht mehr Einzelmaschinen, sondern komplette Fertigungszellen anzubieten;
· zweitens, daß der Bereich der industriellen Dienstleistungen (Zusatznutzen) mit ihren ganz anderen Marketinganforderungen (vgl. beispielsweise die fehlende Lagerfähigkeit, die starken Auslastungsschwankungen oder die Möglichkeit von Servicegarantien) viel stärker als bisher zu forcieren ist: Nicht mehr das Sachgut (Produkt) selbst entscheidet heute über den Markterfolg und die dauerhaften Wettbewerbsvorteile eines Industrieunternehmens, sondern der mit ihm angebotene Zusatznutzen, wobei davon auszugehen ist, daß die Wettbewerbsbedeutung von Produkt und Produktumfeld (industrielle Dienstleistung) zukünftig etwa gleichgewichtig sein wird. Während die Differenzierungsmöglichkeiten über das Produkt selbst oder seinen Preis heute nahezu ausgeschöpft sind, verlagert sich der Wettbewerb um den Kunden immer mehr auf das Produktumfeld. Genau hier kann jeder Betrieb gegenüber asiatischen Konkurrenten wirksame Eintrittsbarrieren aufbauen.

So werden heute im Maschinenbau Erträge kaum mehr alleine durch die Erstausrüstung erwirtschaftet, sondern erst durch Dienstleistungen wie Projektmanagement, Montage, Transport, Inbetriebnahme, Beratung, Finanzierung, Ersatzteillieferungen, 24-Stunden-Service und Kundenschulungen. Die in diesem industriellen Servicegeschäft erzielten Deckungsbeiträge sind in der Regel beachtlich, abgesehen davon, daß der Service im Maschinen- und Anlagengeschäft während der Nutzungszeit mindestens dreimal so viel Umsatz schaffen kann wie der ursprüngliche Erstkauf.

Produkt- und Servicezufriedenheit in der Vorkauf-, Kauf- und Nachkaufphase  unter Einschluß zusätzlicher wertsteigernder Dienste sind also das Generalziel, um auf internationalen oder globalen Märkten bestehen zu können (Erlbeck 1997, Homburg / Garbe 1996, Backhaus 1994, Burmann 1991).

Diese Entwicklung ist beispielsweise auch an der Tendenz erkennbar, daß Marketingagenturen sich heute nicht mehr auf die Phase der eigentlichen Vermarktung beschränken, sondern für ihre Partner den gesamten Prozeß von der Produktentwicklung bis hin zum Vertrieb gestalten oder gar selbst übernehmen (FAZ 30.3.1998).

Das Konzept des individuellen Kundennutzens bezieht sich aber nicht nur auf bereits vom Auftraggeber artikulierte Wünsche, sondern auch auf latente Problemlösungen, die dem Kunden unter Umständen noch gar nicht voll bewußt sind. Hier sind die Chancen, als erster den Markt zu besetzen, natürlich besonders groß.

2. Kunden und Lieferanten im Wertschöpfungsnetzwerk

Will ein Betrieb diesen Anforderungen internationaler Märkte entsprechen und in Zusammenarbeit mit anderen Betrieben Synergien auslösen, muß er

· erstens über die Arbeitsteilung in der Wertschöpfungskette neu nach-denken und

· zweitens versuchen, das ganze Netzwerk mit allen A-Kunden und A-Lieferanten, also auch alle wesentlichen zwischenbetrieblichen Leistungsstrukturen, zu verbessern. Nur ganzheitlich optimierte, vorwärts- und rückwärtsintegrierende strategische Netzwerke, in denen auch die Schnittstellenproblematik hervorragend gelöst ist, werden unschlagbar. Insellösungen bleiben dagegen stets suboptimal.

Wie groß die Chancen sind, durch Optimierung des gesamten Netzwerks umfassende Synergien auszulösen, zeigt schon die Tatsache, daß der Eigenfertigungsanteil amerikanischer Produzenten wie auch der deutschen Automobilindustrie nur noch bei etwa 40 Prozent liegt, bei Toyota und Porsche sogar nur noch bei 20 Prozent - und das bei weiter abnehmender Tendenz (Womack/Jones 1997, Wildemann 1992, Burt 1990). Daraus ergibt sich aber die Konsequenz, daß ein nicht in ein Netzwerk integrierter Abnehmer mit einem fremdbezogenen Wertschöpfungsanteil von 80 Prozent mit seinem eigenen Betrieb nur 20 Prozent des potentiellen Gesamtnetzwerks optimiert. Alle übrigen  Wertschöpfungsbereiche bleiben dagegen in bezug auf Qualität, Preis und Zeit außerhalb der eigenen Optimierungsbemühungen (Abb.2).

Damit wird die  zielgerichtete, partnerschaftliche Integration aller Glieder einer wertschöpfenden Kette (Kunden- und Lieferantenintegration) zum zentralen Anliegen und Erfolgsmerkmal des strategischen Netzwerkmanagements (Beyer 1998).

Nehmen wir das bekannte Beispiel der Just-In-Time-Lieferung: Natürlich kann der Abnehmer durch diese Vereinbarung mit seinen Zulieferanten Lagerbestände und Kapitaleinsatz drastisch reduzieren. Wenn die Lieferan-ten  nun aber ihre Vorräte an Baugruppen und Komponenten entsprechend erhöhen, statt selbst zur Just-In-Time-Produktion, zu kleinen Losen und einfachen bzw. Universalmaschinen sowie stark vereinfachten und damit zugleich gut beherrschbaren Prozessen und Verfahren überzugehen, liegt nur eine Lagerverschiebung, aber keine grundlegende Kostensenkung durch  Neustrukturierung der gesamten Versorgungskette vor (Womack/Jones 1997; Schonberger 1997). So ist im  Netzwerk insgesamt kein Nutzen entstanden, ganz abgesehen davon, daß sich heute kein Betrieb mehr hohe Lagerbestände leisten kann.

Ähnliche Überlegungen gelten für die „Produktionskosten" der Forschung und Entwicklung: Im Vergleich mit der reinen Eigenentwicklung sind fremd- bzw. abnehmerinduzierte Innovationsprojekte (vertikale Kooperation innerhalb eines Netzwerkes) unter Umständen rentabler. Vertikale Kooperationen können also zur Senkung der Produktionskosten führen (Halin 1995).

Die erhofften Synergien stellen sich erst dann ein, wenn alle wesentlichen Zulieferbetriebe durch Abstimmung bzw. Integration ihrer Organisations- abläufe und durch Kundenorientierung ihre Produktion so elastisch gestalten, daß auch sie ohne erhöhte Lagerhaltung schnell und kundennah produzieren können (Build To Order, BTO, bzw. Build To Customer Order, BTCO).

Beispielhaft seien hier die von Hewlett Packard und Ikea entwickelten Netze sowie die Zusammenarbeit von Boeing beim Bau seines neuen Kurzstreckenjets 717 erwähnt: Große Teile des Rumpfes werden von Alenia in Italien geliefert, die Triebwerke kommen aus Brandenburg, Korean Aerospace stellt die gesamte Frontsektion des Jets her, Hyundai in Korea liefert große Teile der Tragflächen, das Höhenruder kommt aus Japan, die Flügelwurzel aus Kanada, die Steuerklappen aus Spanien (Schonberger 1997, Wildemann 1998).

Synergien setzen also unabdingbar eine ganzheitliche Betrachtung voraus, eine Einordnung der eigenen Aktivitäten in die vernetzte Wertschöpfungskette. Erfolgsunternehmen verstehen daher ihre Kooperationsstrategie als kontinuierliche Entwicklung synergieorientierter Geschäftssysteme, zu deren Akteuren  Kunden, Produktionsbetriebe, Zulieferer, Sublieferanten und andere unterstützende Betriebe gehören.

Am Beispiel der nutzenorientierten Preisgestaltung läßt sich diese Notwendigkeit zur Abstimmung und Integration der Wertschöpfungspartner auf der Basis strikter Kundenorientierung gut verdeutlichen:

Entscheidend für die Preisgestaltung ist allein der aus Sicht des Kunden für die gebotenene Leistung als „richtig" empfundene Preis. Das ist der Preis, den der Kunde für die erwartete Problemlösung (Qualität, Zeit) als angemessen oder vorteilhaft empfindet. Deshalb ist es unerläßlich, alle kooperierenden Betriebe in dieses marktorientierte Zielkostenmanagement zu integrieren und zu veranlassen, durch bekannte Instrumentarien wie Wertanalyse, Downsizing, Business Reengineering u.a. strikt ergebnisorientiert zu operieren. So interessiert nun nicht mehr, was ein Produkt und eine Dienstleistung gekostet haben, sondern nur noch, was sie kosten dürfen, wie hoch also die erlaubten, d.h. die Zielkosten (Target Costs) sind. Genau diese Zielkosten müssen dann  zur Grundlage einer Zielvereinbarung zwischen allen Beteiligten werden. Diese Zielvereinbarung betrifft nicht nur die aktuelle Preisgestaltung, sondern ebenso die längerfristigen Bedingungen zur Kostensenkung.

Gleiche Überlegungen gelten für die Qualität, die neu zu definieren ist: Qualität ist weder immer Spitzenqualität von Produkt und Produktumfeld noch das, was sich Manager oder Techniker im allgemeinen darunter vorstellen. Vielmehr ist Qualität ausschließlich das,

· was der Kunde erwartet - denken wir beispielsweise an die zeitwert-gerechte Reparatur - und
· was er für diese von ihm subjektiv beurteilte Qualität (unter Berücksichtigung der Lieferzeit) zu zahlen bereit ist.

Auch solche Qualitätsstandards sind nur auf der Basis intensiver kooperativer Beziehungen zwischen Abnehmer und Lieferanten verläßlich umzusetzen.


3. Erwartungen und Probleme der Wertschöpfungspartner

An die Konzeption eines solchen Netzwerkes sind hohe Anforderungen zu stellen, sollen die erwünschten Synergien tatsächlich eintreten. Diese Anforderungen sind mit den - teilweise gegensätzlichen - Erwartungen der Kooperationspartner zu harmonisieren, um Zielkonflikte von vornherein zu vermeiden. Hier gilt nichts anderes als die besprochene Kundenorientierung, nun aber bezogen auf das Innenverhältnis des Gesamtnetzwerks (internes Kundenprinzip).

Effiziente partnerschaftliche Netzwerke verursachen also wegen ihrer hohen Anforderungen immer auch erhebliche Synergiekosten (neue qualitative, zeitliche und preisbezogene Abhängigkeiten, Schnittstellenprobleme, Friktionen u.a.; Wießner 1997, Buzzell 1984). Diese können allerdings durch sorgfältige Partnerwahl und den eisernen Grundsatz jeder nur möglichen Komplexitätsreduktion - einfache Lösungen, direkte und kurze Wege, geringstmögliche Investitionen und Lagerbestände, weniger Mitarbeiter und Hierarchieebenen, geringer Raumbedarf, knappe Rüstzeiten - in Grenzen gehalten werden, so daß der Synergienutzen die Synergiekosten um ein Vielfaches übersteigt.

a) Erwartungen der Zulieferer

Die Erwartungen der Lieferanten beziehen sich vor allem auf Ertrags-verbesserungen, den Schutz ihres Know How und vielfältige Unterstützung durch die Hersteller (Abb. 3).

(1) So erwarten die Lieferanten insbesondere, daß sich die häufig bestehende Ertragslücke zwischen Zulieferant und Abnehmer verkleinert bzw. daß sich ihre Ertragssituation generell verbessert und die Hersteller umfassende Nutzenüberlegungen (Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter als Kooperationspartner) in ihr Shareholder-Value-Konzept integrieren. Das gilt mit Blick auf die Zulieferer insbesondere dann, wenn das Risiko bestimmter Projekte für die Lieferanten sehr hoch ist, was den Herstellern oft nicht deutlich genug bewußt wird.


Hinzu kommt, daß häufig vor allem die Subunternehmer der Systemlieferan-ten als die schwächsten Glieder in der Kette - vor allem bei genormten Teilen - am meisten unter dem Preisdruck leiden. Im Logistikbereich ist dies bei den sogenannten Frachtführern als den Subunternehmern großer Speditionen deutlich zu beobachten: Viele müssen entweder aufgeben oder bei den Großen Unterschlupf suchen (Schmidt 27.6.1998).

Doch Lieferanten müssen genug Geld verdienen, um ihre Mitarbeiter weiter zu qualifizieren und ihre Anlagen auf dem neuesten Stand halten zu können. Folglich werden Partnerschaften mit sehr unterschiedlicher Ertragsstärke immer instabil sein.

Deshalb brach auch ein Anbieter logistischer Dienste seine Kooperations-verhandlungen mit einem potentiellen Abnehmer wegen fehlender Vertrau-ensbasis ab, als er erkannte, daß dieser nur seine Einkaufsmacht einsetzen wollte, um niedrige Preise durchzusetzen (Bowersox 1991).

(2) Zweitens erwarten die Lieferanten, daß ihr Know How und ihre Eigenentwicklungen umfassend geschützt werden, nicht jede Verbesserung also zum Wissensabfluß führt, vom Abnehmer kostenlos genutzt oder gar an andere Lieferanten weitergegeben wird.

(3) Drittens erwarten sie, daß die Abnehmer sie generell und umfassend mit Know How sowie bei der notwendigen Verbesserung ihrer Produktionsprozesse unterstützen und schulen, wie es heute ohnehin bei allen namhaften Produzenten üblich ist und sich auch bestens bewährt hat (Burt 1990).

b) Erwartungen der Hersteller

Die Erwartungen der Hersteller beziehen sich vor allem auf das Angebot von Paketlösungen, das Logistik- und Qualitätsniveau und die Mitwirkung bei der Forschung und Entwicklung (Abb. 4).

(1) Erstens erwarten die Abnehmer, daß sich ihre Hauptlieferanten reorganisieren und zu kundenorientierten Systemlieferanten mit größerem Produktspektrum weiterentwickeln, ganze Komponenten und Baugruppen mitentwickeln und als maßgeschneiderte Paketlösung bereitstellen (Eicke / Femerling 1990). So können die Abnehmer ihre Fertigungstiefe und ihre Wertschöpfung am eigentlichen Produkt durch Nutzung externen Fachwissens weiter reduzieren - bei gleichzeitig besserer Variantenbeherrschung und zunehmender Wertschöpfung um das Produkt herum, sofern diese nicht auch fremdvergeben wird, wie es beim Logistikservice zunehmend zu beobachten ist. So wird der Hersteller zum Generalunternehmen, Komponentenintegrator, Koordinator sowie zum Endprodukt- und Serviceverantwortlichen (Halin 1995).

(2) Zweitens erwarten die Hersteller hohe Logistik- und Qualitätsstandards (Wildemann 1992), die die globale Lieferfähigkeit und einen umfassenden Lieferservice gewährleisten (woraus sich neue horizontale, vertikale und laterale Kooperationszwänge für die Zulieferer und hohe Anforderungen an ihre Kompetenz in bezug auf die Beherrschung der Schnittstellenproblematik ergeben). Weiterhin müssen Just-In-Time-Lieferungen mit gesicherter bzw. kontinuierlich verbesserter Qualität garantiert sein.

Nicht die niedrigsten Einkaufspreise sind somit entscheidend für die Auswahl eines Lieferanten, sondern die (unter Berücksichtigung not-wendiger Nachbesserungen durch die Hersteller und erforderlicher Einbaukosten in das Endprodukt) niedrigsten Gesamtkosten in der Wertschöpfungskette (Burt 1990).

Deshalb spielt die Schnittstellenproblematik auch bei den Qualitätsanfor-derungen eine wesentliche Rolle. So müssen die Produkte und Dienstleistungen der Zulieferer gut in das Programm der Abnehmer „passen", sich also leicht in die Endleistung integrieren lassen.

Dabei ist zu unterscheiden, ob die Zulieferer Identteile oder genormte Teile in das Endprodukt einfügen. So können Maschinenlieferanten ihre Aggregate derart auslegen, daß nur Komponenten eines spezifischen Herstellers (auch bei Ersatzteillieferungen) in Frage kommen, wie das bei Keiper-Recaro-Sitzen für Daimler-Benz der Fall ist. Ebenso ist aber zu beobachten, daß national oder international genormte Teile (z.B. Kabel oder Schalter) integriert werden, bei denen die Leistungsangebote verschiedener Zulieferer gegeneinander austauschbar sind.

Ist der relative Wert solcher Komponenten am Schlüsselprodukt sehr hoch („A-Komponenten"), tritt der Zeitfaktor (Lebensdauer einer Komponente) als wesentliches Element zur Qualität hinzu, weil solche Schlüsselkomponenten den Ersatzzeitpunkt des Gesamtaggregats ent-scheidend beeinflussen (Backhaus 1989).

(3) Drittens soll der Anteil der Lieferanten an der Forschung und Entwick-lung, insbesondere der Produktentwicklung hoch sein, so daß auch von dieser Seite Innovationen eingebracht werden, die erwartete Qualität tatsächlich gesichert ist und auch die Entwicklungszeiten kürzer werden (simultanes Engineering).

Gerade im Bereich der Produktentwicklung ist zukünftig eine intensive Zusammenarbeit unentbehrlich, insbesondere wenn die Ersparnisse der Zulieferer maßgebenden Anteil an Kosten und Qualität des Endprodukts haben. Hier müssen die Lieferanten von Anfang an mitarbeiten an der Entwicklung, der Prüfung von Entwürfen, der Wertanalyse, der Beurteilung von Prototypen usw. Damit sinkt nicht nur ihr Innovationsrisiko. Vielmehr schaffen sie sich durch technischen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zugleich eine wichtige Eintrittsbarriere (vgl. die Verwertungsunsicherheit bei eigeninduzierten im Vergleich zu abnehmerinduzierten Innovationsprojekten; Halin 1995).

So ist es auch gar nicht so ungewöhnlich, daß beispielsweise in einem amerikanischen Zulieferbetrieb von 15 Mitarbeitern seines Versuchslabors sechs Ingenieure im Konstruktionsbüro seiner größten Kunden von Anfang an an den Entwicklungsarbeiten mitwirken (Burt 1990).

Inzwischen ist auch für Deutschland bekannt, daß drei von vier Betrieben, die in dieser Art mit Lieferanten und Kunden  in der Forschung und Entwicklung kooperieren, neue Produkte auf den Markt bringen (iwd 27.11.1997).

Ohne die sorgsam durchdachten Vorschläge der Lieferanten zur Produktverbesserung kann also heute kaum noch ein Hersteller dauerhaft die vom Kunden erwarteten Qualitäten liefern, abgesehen davon, daß die Preise für Vorleistungen zwischen 1980 und 1995 wesentlich weniger gestiegen sind
(24 Prozent) als die Erzeugerpreise (32 Prozent, iwd 28. 5.1998). Außerdem können die Synergiekosten bei effizienter Organisation der netz- bzw. systeminternen Innovation (vertikale Kooperation) unter den Kosten der betriebsinternen (innerbetrieblichen) Abstimmung innovativer Prozesse liegen (Halin 1995).

4. Lösungsansätze und ihre Umsetzung

Aus diesen Erwartungen der Lieferanten und Abnehmer sowie den Anforderungen optimierter Netzwerke resultieren vielfältige Verpflichtungen für alle Systempartner, für die Lösungsalternativen zu entwickeln sind.

Die hier vorgeschlagenen sieben zentralen Lösungsansätze für strategische Netzwerkallianzen beziehen sich auf die Zielvereinbarungen, die Betriebsoptimierung, die Systemoptimierung, den Systemnutzen, die Partnerwahl, die Systemorganisation und das Systemcontrolling (Abb.5).

a) Zielvereinbarungen mit langfristigen Verträgen

Unter dem Aspekt der Lebensdauer und der Effizienz kooperativer Netzwerke erscheint es sinnvoll, von vornherein bestimmte Grundprinzipien zu verfolgen und entsprechende Leistungsstandards und Spielregeln für die geplante Systemoptimierung festzulegen, die von allen Beteiligten akzeptiert und eingehalten werden. Diese Spielregeln führen zu gewollten, systemim-manenten und unter Umständen sogar systemstabilisierenden Abhängigkeiten aller Partner, ohne daß diese damit ihre Fähigkeiten verlieren, auch außerhalb solcher Netzwerke mit anderen Partnern zu kooperieren, wie es beispielsweise im Bereich der Haushaltsgeräte, der Unterhaltungselektronik und der Automobilindustrie üblich ist (Wildemann 1998).

Insbesondere sind Zielvereinbarungen zu treffen über:

(1) das Gesamtkonzept des Netzwerks und die Sicherung seiner Funktionsfähigkeit,

(2) die angestrebten Synergien als gemeinsames  Oberziel und die vereinbarten Leistungsstandards,

(3) die Zielkosten und den Zielpreis sowie die mittelfristig notwendigen Maßnahmen zur Kostensenkung bzw. zur schrittweisen Systemverbesserung. Gerade bei solchen kleinen Verbesserungsschritten auf der Basis tatsächlich erreichbarer Ziele sind Fehler viel leichter zu korrigieren und genau deshalb sind auch die Risiken einer solchen evolutionären, also sukzessiven Totaloptimierung begrenzt.

(4) den vorbehaltlosen, weitgehenden Informationsaustausch mit Hilfe einer umfassenden Kommunikations- und Informationsstruktur bei gleichzeitig erheblicher Beschleunigung der Informationsprozesse. Dazu gehört auch die Offenlegung der Kalkulation.

Hewlett Packard hat festgestellt, daß solche Kommunikationsprobleme zu 60 Prozent für verspätete oder zu frühe Lieferungen ursächlich waren (Burt 1990). Eine hohe informatorische Integration und Vernetzung, die zu größerer Transparenz über Markterfordernisse, Modellentwicklungen, geplante Produktionsvolumina und Verkaufsprognosen sowie alle wesentlichen Arbeitsabläufe in der Wertschöpfungskette führt, ist also unabdingbar, kann allerdings gerade in der Entstehungsphase einer Kooperation bei Klein- und Mittel-betrieben auch zur Verunsicherung führen. Trotzdem muß - auch durch neue Software-Lösungen - gewährleistet werden, daß insbesondere im Rahmen der Produktentwicklung alle Betroffenen bei Änderungen sofort informiert werden.

Neben dem elektronischen Datenaustausch vom betrieblichen Detail bis zur strategischen Planung ist weiterhin der Schutz der sensiblen Daten und Informationen vor dem Zugriff unberechtigter Dritter unerläßlich.

Wichtig ist schließlich eine sorgfältige, von gegenseitigem Vertrauen geprägte Vertragsgestaltung mit langfristiger Bindung und immanentem Flexibilitätspotential für Umweltveränderungen und die Interessendynamik der Netzwerkpartner. Eine solche Vertragsgrundlage wird von erfahrenen Kooperationsbetrieben als zentraler Aspekt synergetischer Partnerschaften bezeichnet. Unter Umständen sind auch Kapital- und Personalverflechtungen (Womack / Roos 1991) sehr nützlich.

b) Betriebsoptimierung (Kunden- und Kernkompetenzorientierung)

Die Kunden- und Kernkompetenzorientierung ist Basis der notwendigen Betriebsoptimierung.

(1) Jeder Partner, der in einer solchen Kette Aktivitäten übernimmt, hat diese also als sein Kerngeschäft zu begreifen und entsprechend als hochkarätiger Experte zu handeln. Er darf nicht mehr nur isoliert sein Produkt oder seine Dienstleistung sehen, sondern stets auch die Integration dieser Leistungen in die gesamte Wertschöpfungskette, um Schnittstellenprobleme zu reduzieren.

(2) Dabei hat er das Prinzip der umfassenden Kundenorientierung und Kundenintegration in bezug auf Qualität, Preis und Zeit und die hierauf bezogenen Vereinbarungen einzuhalten.

(3) Weiterhin ist wegen des erzielbaren Zusatznutzens für die Kunden und der realisierbaren hohen Deckungsbeiträge die noch beachtliche Leistungslücke bei industriellen Dienstleistungen  in alle Überlegungen zur Arbeitsteilung   einzubeziehen.

Erste empirische Untersuchungen belegen, daß industrielle Betriebe, die Dienstleistungen auf fremde Unternehmen übertragen haben, mit deren Leistungen insgesamt sehr zufrieden sind. Im einzelnen sind insbesondere bei der Reduzierung der Kosten (Reinigung, Transport, Instandhaltung) und der Erhöhung der Flexibilität die größten Verbesserungen eingetreten. Von nordamerikanischen Unternehmen ist bekannt, daß sie häufig darauf verzichten, in Europa ein eigenes Logistiksystem aufzubauen und die notwendigen Transport- und Lagerleistungen auf Fremdunternehmen übertragen, die mit den regionalen Besonderheiten viel besser vertraut sind (Nagengast 1997).

Zukünftig ist aber viel mehr nachzudenken über die Auslagerung nicht nur solcher vom Hersteller selbst benötigten Dienstleistungen, sondern von Teilbereichen des von ihm für seine Kunden zu erbringenden Service. Ent-sprechend wird es zukünftig nicht nur auf Produkte und Produktionsprozesse spezialisierte Zulieferer geben, sondern auch Service-Zulieferer bzw. Service-Systemlieferanten. Diese werden dann zukünftig unter Umständen sogar intensiveren Kontakt zu den Kunden haben als die Hersteller selbst. Schon heute ist das bei den Logistikdienstleistern zu beobachten, die neben den maßgeschneiderten Transportlösungen zum Teil auch die Produkte selber montieren und den Kundendienst oder das Inkasso für den Hersteller übernehmen bzw. übernehmen müssen (Schmidt spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem „Diktat der Netzwerke", 27.6.1998).

c) Systemoptimierung

Bei einer solchen netzwerkartigen Systemkonzeption sind anerkannte Instrumente und Gestaltungsprinzipien zur Systemoptimierung auf ihre Einsatzmöglichkeit hin zu überprüfen (Womack/Jones 1987). Dazu gehören insbesondere

(1) das für alle Betriebe geltende Sogprinzip mit radikalem Lagerabbau und JIT, BTO und BTCO,

(2) die Privilegierung der extremen Vereinfachung (Komplexitätsabbau / Deregulierung) und Flexibilität (i. S. kurzfristiger Umstellungsfähigkeit im Gegensatz zur inflexiblen Vollautomation mit der Konsequenz von „Push - Strategien", also dem Zwang zum „Hineinverkaufen in den Handel"). Generell gilt die Verpflichtung, daß jeder Betrieb jegliche Ver-schwendung in seinem Teil der Wertschöpfungskette sowie übergreifend eliminiert. Daraus resultiert die Verpflichtung zu ständiger Verbesserung (TQM und Kaizen) als selbstverständlichem Bestandteil der Zusammenarbeit. Kontinuierliche Fertigungs- und Qualitätskontrollen der Hersteller bei ihren Hauptlieferanten sind daher heute keine Ausnahme mehr (Burt 1990).

(3) eine Prozeßbeschleunigung durch simultanes Engineering und eine Synchronisation der Betriebszeiten,

(4) die bewährte Plattformstrategie und Modulartechnik  (Variabilitätsreduktion durch standardisierte bzw. modulare Bauteile oder Grundmodelle, Baldwin/Clark 1998) mit der Möglichkeit des individuellen Zuschnitts von Produkten und Dienstleistungen, aber auch eine einheitliche Software-Plattform der Netzwerkpartner sowie eine Vernetzung der einzelnen Arbeitsschritte mit Hilfe von Workflow-Systems.

(5) eine schlanke und effiziente Logistik für das Gesamtsystem (kurze Lieferzeiten, pünktliche Lieferung ohne Fehllieferungen und Transport-schäden, prompte Bestellbearbeitung), wobei der Anteil der vom Hersteller eigenständig erbrachten Logistikleistungen augenblicklich noch reduziert werden kann.

So werden in der Automobilindustrie noch bis zu 90 Prozent der Logistikleistungen vom Hersteller erbracht, in der Nahrungsmittelindustrie nur noch 70 Prozent. Da die Logistiker gegenüber Zulieferern über die besseren strukturellen Voraussetzungen verfügen - sie können ähnliche Leistungen verschiedener Auftraggeber bündeln -  ist die Ausgliederung dieser Dienstleistung auf Logistikunternehmen erfolgversprechender und zeitsparender. Das gilt in besonderem Maße für den Logistikservice im Rahmen internationaler oder globaler Netzwerke (Döhler  7. 5. 1998).

(6) der Einsatz bewährter Analyseinstrumente wie (externe) Kunden- und Lieferantenbefragungen (mit Critical Incident Technique, Frequenz-Relevanz-Analyse u.a.) und netzwerkinterne Kundenbefragungen im Sinne einer Analyse bestehender Probleme und Engpässe („upstreaming", also die Suche nach Problemquellen stromaufwärts), wie sie beispielsweise von Ford als vertrauliche Umfragen unter allen Zulieferern Jahr für Jahr durchgeführt werden (Burt 1990).

d) Systemnutzen

Systemoptimierung setzt Systemnutzen für die Partner voraus, d.h. Bedürf-nisse der Kunden, der Wertschöpfungspartner und der Mitarbeiter mit ihrem Betriebsrat sind in diesem Prozeß unter dem Primärziel der Erhöhung des Unternehmenswertes aufeinander abzustimmen.

(1) Dazu gehört erstens die partnerschaftliche Aufteilung der durch die Weiterqualifizierung der Zulieferbetriebe und ihrer Prozesse erzielten Kostenersparnisse bzw. Gewinne auf Zulieferer und Abnehmer bzw. eine Rentabilitätsabsicherung für alle Netzwerkpartner. Nur eine für beide Seiten vorteilhafte Beziehung gewährleistet langfristig stabile Kooperationen, so daß es im Netzwerk keine Verlierer gibt, wohl aber außerhalb: die Wettbewerber (Bronder/Pritzl 1992).

Im Porsche-Netzwerk werden beispielsweise ein Drittel der Kosteneinsparungen den Zulieferern, zwei Drittel Porsche zugeteilt, der einen Teil über niedrigere Preise an seine Kunden weitergibt (Womack/Jones 1997).

(2) Dazu gehört zweitens aber auch, daß - sofern Leistungsgarantien vertraglich vereinbart wurden - die negativen Folgen von Pannen aufgeteilt werden (Risikoteilung; Bowersox 1991).

(3) Drittens muß jeder Netzwerkpartner seine eigenen Mitarbeiter mit ihren wertvollen Erfahrungen im Umgang mit Produkten und Produktionstechniken in diese Prozesse integrieren, sie motivieren, umfassend weiterbilden mit der Konsequenz stärkerer Universalität (Polyvalenz), Servicefreundlichkeit und Kreativität (Verbesserungsvorschläge / Mit-arbeiterinnovationspotential), aber auch der Fehlzeiten- und Fluktuationsreduktion (Mitarbeiterloyalität). Daher ist auch eine stärker leistungs-orientierte Entlohnung der Mitarbeiter und ihre Beteiligung am Unternehmenserfolg, also eine Koppelung an den nachweisbar erzielten Synergienutzen, langfristig sinnvoll (Beyer 1998).

(4) Ein partnerschaftlich angelegtes Netzwerk funktioniert nur, wenn Betriebsräte und Gewerkschaften die zugrunde liegende, langfristige Erfolgsstrategie akzeptieren und vorbehaltlos unterstützen („It is quite obvious that the Toyota production system cannot be implemented in a company or organization where a labor union opposes productivity increase itself. This point may be the critical condition which will restrict the application of Toyota production system.", Monden 1983).

e) Closed Shop

(1) Die Zahl der Kooperationspartner ist aus Gründen der Deregulierung  und Komplexitätsbeherrschung zumindest bei den „Schlüsselkomponenten" so klein wie möglich zu halten, ja teilweise sogar auf einen Lieferanten zu beschränken. Dabei können einige bisherige Direktlieferanten zu Zulieferern von Systemlieferanten, also zu Sublieferanten werden, ohne jedoch in jedem Fall ihren direkten Kontakt zum Abnehmer als Know-How-Lieferant zu verlieren. Andere Zulieferer können sowohl direkte als auch indirekte Lieferanten sein (Doppelrolle, Lamming 1994) (Abb.6).

Auf jeden Fall kann mit zu vielen Partnern weder eine stabile strategische Allianz aufgebaut, noch können die Transaktionskosten (Auftragsvergabe, Steuerung, Überwachung der Beschaffung) und die Logistikkosten ausreichend reduziert werden. Dagegen nimmt die Komplexität der Steuerungsprozesse (Schnittstellenproblematik) mit sinkender Zahl an Zulieferern überproportional ab et v. v.

Die Zulieferbetriebe haben sich also auch deshalb zu Systemlieferanten oder gar Problemlösern weiterzuentwickeln und - bei weiter wachsender Konzentration und Größe ihrer Abnehmer -  ihrerseits dringend nach Möglichkeiten horizontaler, vertikaler und lateraler Zusammenarbeit zu suchen und ebenfalls eine Strategie des Single und Global Sourcing zu betreiben. Internationale oder globale Zuliefer-Netzwerke sind die Konsequenz dieser Entwicklung.

So hat beispielsweise Porsche die Zahl seiner Zulieferer in einem ersten Schritt von ursprünglich 950 auf etwa 300 reduziert (von denen 60 entschei-dende Systemlieferanten sind), BMW von 900 auf 70 Zulieferer (Womack/Jones 1997, Wildemann 1998). Solche generell in der Automobilindustrie beobachtbaren Tendenzen führen in Verbindung mit anhaltender Konzentration der Autoindustrie zu der - unausweichlichen - Konsequenz, daß die kleinen und mittleren Zulieferer selbst intensiv an kooperativen Vereinbarungen arbeiten: Unternehmensübergreifende Kommunikation, gemeinsame Systementwicklungen, Planung eines Kompetenzkatalogs für das Internet, aus dem - auch aus dem Ausland - wichtige Daten online abgerufen werden können, durchgängige digitale Produktentwicklung mit dem Ziel der Beschleunigung der Entwicklungs- und Engineering-Prozesse der Hersteller u.a. Als besonders nützlich wird von den Zulieferern die Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung, im Marketing und Vertrieb sowie im  Einkauf und in der Produktion angesehen (o.V. 11.5.1998; Wildemann 1998).

Daß solche gewollten Abhängigkeiten auch ihre Risiken (Synergiekosten) bergen, haben die bei Porsche wie bei Ford im Juni 1998 aufgetretenen Eng-pässe bei der Zulieferung deutlich vor Augen geführt. In beiden Fällen legten diese Lieferengpässe die Automobilproduktion vorübergehend lahm.

Die Beschaffungsstrategie der Abnehmer - zum Beispiel Single oder Global Sourcing - wird maßgebend davon bestimmt, ob austauschbare Produkte oder Identteile vorliegen: Während bei Identteilen die Beschaffung zwangsläufig auf einen oder wenige Zulieferer begrenzt ist, dominiert bei austauschbaren Gütern eher die weltweite Suche nach den preiswertesten Einkaufsquellen (Dominanz der Preispolitik; Backhaus 1989).

(2) Die sorgfältige Auswahl der für ein solches Netzwerk wirklich geeigneten, zuverlässigen und vertrauenswürdigen Partner und eine gewisse Kulturharmonie sind strategische Erfolgsvoraussetzungen dieses Konzepts. Die erstmalige Auswahl solcher Zulieferanten kann nicht mehr ausschließlich vom Einkauf des Herstellers bewerkstelligt werden. Hier haben auch Abteilungen wie Konstruktion, Qualitätssicherung, Fertigung und Produktentwicklung sowie Finanzen mitzuwirken (Burt 1990). Die Entwicklungskompetenz der Zulieferer und ihre Fähigkeit zur eigenständigen Konstruktion bzw. - umfassender - ihre Innovationsbereitschaft und -fähigkeit werden bei ihrer Auswahl zu einem immer wichtigeren Kriterium.

f) Systemorganisation

(1) Die Totaloptimierung läßt sich realisieren mit einem aus Mitgliedern aller Prozeßbetriebe bestehenden Coordinative Provider Team, das für die Stärken-/Schwächen-Analyse der gesamten Wertschöpfungskette und die Erforschung der Best Practices in sämtlichen unternehmerischen Bereichen verantwortlich ist. Dieses Team fungiert als Ansprechpartner für alle Netzwerkprobleme (Competence Center) und arbeitet mit einem für die Abstimmung innerhalb des Netzwerks verantwortlichen Change Agent zusammen.

Eine amerikanische Allianz hat beispielsweise einen - von allen Partnern unabhängigen - Promoter eingesetzt, den alle akzeptieren ( Bowersox 1991; vgl. auch Womack/Jones 1997).

Darüber hinaus empfehlenswert ist eine Art Task Force als Beratungsinstitution für alle Kooperationsprobleme und zum Interessenausgleich, eventuell sogar eine Schiedsstelle (Wießner 1997).

(2) Die organisatorische Umsetzung des Totalkonzepts selbst wird in aller Regel nur schrittweise erfolgen, wofür es bereits bewährte Vorgehensweisen gibt (vgl. beispielsweise die bekannten Grundregeln für kontinu-ierliche Verbesserungsprozesse: Vorgehen in kleinen Schritten, Fehler erlauben und Risiken eingehen, alles in Frage stellen dürfen und sofort verbessern, organisatorisch und technisch einfachste Wege wählen, sich partiell selbststeuernde Einheiten installieren, Automatisierung nur als allerletzte Konsequenz, sparsamer Umgang mit allen Ressourcen  usw).

Auch die Optimierung des Gesamtsystems wird schrittweise erfolgen, das heißt zunächst zwischen den Unternehmen der unmittelbar benachbarten Stufen.

5. Controlling im Gesamtnetzwerk

Der Erfolg einer solchen kooperativen Strategie, die alle Partner nutzen-orientiert in das Netzwerk einbindet, läßt sich mit Hilfe weniger, denkbar einfacher und allgemein akzeptierter Schlüsselkennzahlen, die zugleich der Stärken-/Schwächen-Analyse dienen, konkret nachweisen und messen. Ohne laufendes, für alle Teilnehmer verbindliches Feedback darüber, ob die tatsächliche Leistung mit den Vorgaben übereinstimmt, ergeben sich keine Anhaltspunkte für Leistungsverbesserungen, denn noch immer gilt der Satz: „Man bekommt (nur) das, was man mißt" (Schonberger 1997).

a) Geschäftsprozeßkennzahlen

Für den Wertschöpfungsstrom (Geschäftsprozesse) sind insbesondere folgende Geschäftsprozeßkennzahlen relevant:

· Flußgrad als das Verhältnis der Bearbeitungs- bzw. Wertschöpfungszeit zur gesamten Durchlaufzeit (Prozeßzeit). Diese Kennzahl läßt erkennen, in welchem Umfang das Fließprinzip (geringe Unterbrechungen und Wartezeiten, niedrige Lagerbestände) und der Verschwendungsabbau auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette bereits realisiert sind. Dieser Flußgrad stellt direkt die Verbindung her zu der Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und Lieferung, die ein kritischer Wettbewerbsfaktor ist, sowie zur On-Time-Delivery (Pünktlichkeit der Lieferung).

· Produktivitäten, Verspätungsquoten und Fehlerraten im Produktions- und Verwaltungsbereich als Indikatoren für Effizienz und Zuverlässigkeit.

So erreicht beispielsweise der Spritzgußkonzern Nypro bei allen neuen Pro-duktionskonstruktionen eine Fehlerquote von 3,4 pro Million Teile; der Baldrige-Award-Träger Motorola bezieht die Fehlerquote dagegen schon auf eine Milliarde Teile. Ähnliche Fortschritte sind in anderen Bereichen erkennbar: So erzielen beispielsweise Gießereien der Automobilindustrie heute mit der halben Belegschaft wie 1990 die gleiche Produktionsmenge, wodurch ihre Attraktivität für ihre Abnehmer wesentlich gestiegen ist (o.V. 22.4.1998).

· Höhe der Lagerbestände, Lagerdauer und Lagerumschlagshäufigkeiten (End- und Zwischenlager) sowie Umfang der Produktionsflächen.

b) Marktkennzahlen

Für alle Prozesse mit Kundenkontakt (Marktprozesse) sind folgende Marktkennzahlen wesentlich:

· Kundenzufriedenheit/-unzufriedenheit; Beschwerderate,

· Kundenloyalität bzw. Kundenfluktuation und Zahl der Neukunden,

· Kundendeckungsbeiträge.

c) Verhaltensprozeßkennzahlen

Für alle Mitarbeiter des Netzwerks (Verhaltensprozesse) gelten folgende Verhaltensprozeßkennzahlen:

· Betriebsklima/Motivationsprofil der Mitarbeiter,

· Fluktuationsraten (Mitarbeiterloyalität), Fehlzeiten und Arbeitsproduktivitäten,

· Verbesserungsvorschläge je Mitarbeiter p.a. (Die besten japanischen Betriebe erhalten über 70 Verbesserungsvorschläge je 100 Mitarbeiter und Jahr, in Deutschland sind es etwa 12 Vorschläge).

Den Verhaltensprozeßzahlen liegt der fundamentale Gedanke zugrunde, daß Markterfolge Verhaltenserfolge sind (was auch Innovationen einschließt). So können beispielsweise eine durch ein schlechtes Betriebsklima bedingte hohe Mitarbeiterfluktuation im Kundenkontaktbereich ebenso wie hohe Fehlzeiten die Kundenloyalität negativ beeinflussen. Investitionen in Mitarbeiter und Führungskräfte zur Motivation und Leistungsförderung (Vorgesetztenverhalten, Weiterbildung, Leistungsanreize, Arbeitsklima) rentieren sich also langfristig am besten (Beyer 1998).

d) Gesamterfolgskennzahlen

Für alle beteiligten Prozeßpartner sind folgende Gesamterfolgskennzahlen  aufschlußreich:

· Rentabilität (ROI) mit Gewinnspanne (Umsatzgewinnrate) und Kapitalumschlag (zum Beispiel können Lagerbestände ein Hinweis auf ineffiziente Abläufe, insbesondere zu störanfällige Prozesse, nicht abgestimmte Kapazitäten, Terminprobleme, hohe Ausschußquoten u.a. sein),

· Wertschöpfung, Deckungsbeiträge, Gewinn, Umsatz - jeweils je Kunde, Mitarbeiter und Abteilung,

· Kapitalwert zukünftiger Cash Flows sowie Cash Flow je Mitarbeiter und je Umsatzeinheit,

· Eigenfertigungsanteil (Anteil der Wertschöpfung am Umsatz).

Der langfristige Gesamterfolg des Netzwerks und damit sein Wettbewerbs-vorsprung wird um so größer sein, je größer die Summe aus diesen Frühindikatoren zum Kunden-, Betriebs- und Mitarbeiternutzen und damit zu einem wirklich umfassenden Unternehmenswert als Basis des Shareholder Value ist
(je mehr sich also das Innendreieck in Abbildung 7 dem Maximum des äußeren Dreiecks, d.h. der Vision der „100%igen Erfüllung" wichtiger Frühindikatoren, nähert).


6. Fazit

Hersteller brauchen starke und verläßliche Lieferanten, diese sind ihrerseits auf  Dauerkunden und die Hilfe der Hersteller bei der Lösung ihrer Probleme angewiesen. Damit erhöhen sich die Chancen für alle Beteiligten. Doch bemerkenswerte, imitationsgeschützte Synergien entstehen erst dann,

(1) wenn sich ein partnerschaftliches, „kulturharmonisiertes" Netzwerk individueller Kooperationen entwickelt, in dem die Akteure hochgradig dazu befähigt und motiviert sind, gemeinsam einen hohen Kundennutzen im Sinne eines qualitativ hochwertigen Produkt-Mix aus Sachgütern und Dienstleistungen auf der Basis langfristiger, vertrauensvoller Kunden-beziehungen zu schaffen und

(2) wenn sich dieses für alle Beteiligten vorteilhafte Kooperationsnetzwerk schrittweise der Vision der Totaloptimierung zum Nutzen aller Beteiligten  nähert.

Damit wird effizientes Netzwerkmanagement zukünftig zur strategischen Führungsaufgabe schlechthin.

Literatur

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Für fruchtbare Anregungen und Gespräche danke ich Herrn Dr.-Ing. Dietmar Kern, Nürnberg, Herrn Dipl.-Ing. Peter H. C. Schulze, Meerbusch, und Herrn Dipl.-Kfm. Dr. Klaus Wießner, Nürnberg.
















































































Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de