Mitarbeitergesellschaften - Belegschaften übernehmen ihre angeschlagene Firma
Semester: WS98/99 Hauptstudium
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Mitarbeitergesellschaften - Belegschaften übernehmen ihre angeschlagene Firma

A. Mitarbeitergesellschaften : Gesellschaften, bei denen das Betriebskapital zum größten Teil von der Belegschaft gehalten wird. Hierzu gehören nicht :

B. Rahmenbedingungen

1. Staat : Keine rechtlichen Grundlagen, die speziell auf die Förderung von Belegschafts- fortführungen zugeschnitten sind

2. Politische Träger und ihre Möglichkeiten: Aufgrund mangelnder Rechtsgrundlage sehr unterschiedliches und somit unberechenbares Verhalten bei Belegschaftsfortführungen. Die praktizierten Möglichkeiten der Förderung umfassen:

3. Gewerkschaften: Offiziell stehen die Gewerkschaften Mitarbeitergesellschaften eher ablehnend gegenüber (Argumente wie z.B. "Selbstausbeutung" und Doppelbelastung durch Arbeitsplatz- und finanzielles Risiko). In der Praxis jedoch sind die Gewerkschaften weitaus hilfsbereiter und unterstützen die Übernahmen fast immer.

4. Arbeitgeber: Keine offizielle Haltung der Arbeitgeber und ihrer Verbände. Spektrum reicht von strikter Ablehnung bis zu relativ großzügiger Unterstützung von Belegschaftsübernahmen

C. Vorbereitung und Planung der Übernahme

1. Erkennen der betrieblichen Situation : Es ist wichtig, die Krisensituation des Unternehmens möglichst früh zu erkennen, um Zeit zu gewinnen. Anzeichen für eine sich anbahnende Krise sind z.B. Kurzarbeit, keine Wiederbesetzung freigewordener Stellen, Einsparungen im Investitionsbereich, Schließung von Verwaltungs- und Entwicklungsabteilungen.

2. Erste Schritte : Frage der Realisierbarkeit einer Übernahme, Haltung der Belegschaft, Hinzuziehen von außerbetrieblichen Experten, Haltung der bisherigen Eigentümer einholen, Ursachenforschung für die Betriebskrise.

3. Verhandlungen mit dem Eigentümer : Vorstellungen über die Zukunft im Rahmen eines Interessenausgleichs verhandeln. Sozialplanverhandlungen mit möglicher Einbringung der Abfindungen in die Betriebsübernahme.

4. Struktur der Übernahmeinitiative

4.1 Organe : Betriebsübernahme ohne weitere Integration der Belegschaft ist möglich, z.B. durch Konkursverwalter, Geschäftsführer, externe Berater, etc. Aber auch eine Einbeziehung der Mitarbeiter im Rahmen folgender Organe ist möglich: Betriebsrat, Vollversammlung, ständige Arbeitsgruppen, Projektgruppen, Koordinierungsgruppen.

4.2 Externe Berater : Sie sollten aus verschiedenen Bereichen kommen, z.B. Ingenieure, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Unternehmens- und gewerkschaftliche Berater.

5. Das Weiterführungskonzept: enthält im wesentlichen dieselben Aspekte wie bei einer "herkömmlichen" Sanierung, z.B. Produkt- und Investitionsplanung, Personal- und Finanz- planung.

6. Finanzierung

6.1 Öffentliche Mittel : Staatliche Förderungen werden eher an marktwirtschaftliche als an beschäftigungspolitische Bedingungen geknüpft. Trotzdem gibt es meist auf dem ein oder anderen Weg staatliche Zuschüsse bei Belegschaftsübernahmen.

6.2 Die Banken : Generell sehr vorsichtiges Verhalten bei der Kreditvergabe.

7. Die rechtliche Form der Belegschaftsfortführung : Die verschieden Formen der Personen- gesellschaften kommen wegen mangelnder Haftungsbeschränkung der Gesellschafter nicht in Frage.Die AG wird wegen hoher Kapitalanforderungen selten gewählt. Vorherrschende Form der Mitarbeitergesellschaften ist die GmbH in verschiedenen Ausführungen:


D. Existenzprobleme von Mitarbeitergesellschaften

1. Selbstverwaltung : Mehr Mitbestimmung oder gar Selbstverwaltung der Belegschaft kann, muß aber nicht ein Ziel von Mitarbeitergesellschaften sein. In kleineren Betrieben eher realisierbar als in großen Unternehmen.

2. Wirtschaftliche Existenzfragen : Generelle Probleme eines Sanierungsbetriebes. Darüber hinaus hat die Mitarbeitergesellschaft meist eine äußerst geringe Kapitalausstattung. Daher ist die Finanzplanung von größter Bedeutung. Die Vorteile der Mitarbeitergesellschaft: Hohe Motivation der Mitarbeiter, Bereitschaft, Abstriche bei der Lohnhöhe hinzunehmen.

3. Personalpolitik und Löhne : Auch im Belegschaftsbetrieb sind Entlassungen oft unumgänglich. Jedoch besteht ein Trend der Personalplanung bezüglich Neuanstellungen statt Mehrarbeit oder auch stärkere Berücksichtigung von Teilzeitwünschen. Bei der Entlohnung wird versucht, die Einkommensspannen zu verringern. Eine untertarifliche Bezahlung (zumindest am Anfang) war bei den meisten Mitarbeitergesellschaften unvermeidbar.


E. Literaturhinweis : Duhm, Rainer : Wenn Belegschaften ihre Betriebe übernehmen, Probleme und Chancen selbstverwalteter Fortführung von Krisenbetrieben, Frankfurt 1990

Lütjen, Gerd : Management Buy-out, Firmenübernahme durch Management und Belegschaft, Wiesbaden 1992











Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de