Strategie der Geschäftsfelder zwischen Kernkompetenzen und Diversifikation
Autorin: Yvonne Matzick Semester: WS 1999/2000 Hauptstudium
Handout PDF

Strategie der Geschäftsfelder zwischen

Kernkompetenzen und Diversifikation

(Ressourcen-,Schnittstellen-,Innovations-,Wissensmanagement, Erfolgsfaktoren)


I. Problemstellung

Nach der Betonung der externen Marktfaktoren und dem Diversifikationsboom in den 80er Jahren richtet sich der Blick nun verstärkt auf die internen Potentiale und die spezifischen Ressourcen des Unternehmens.


II. Diversifikation und Kernkompetenzen–Konzept ein Widerspruch?

1. Diversifikation

Beachte zur Diversifikation: „Notwendigkeit und Grenzen der Diversifikation unter Berücksichtigung neuerer Entwicklungen auf dem Absatzmarkt“ von Stefanie Bauernfeind BWL Hauptseminar WS 1997/98.

Erfolgsbewertung und empirische Studien:

Als erfolgreich zählen diversifizierte Unternehmungen, die das angestrebte Ziel (Motive) erreicht haben. Eine Diversifikation hat ökonomisch nur dann einen Sinn, wenn sie den Wert der zusammengeschlossenen Geschäftseinheiten steigert. Unternehmungen, die durch die Diversifikation Wert zerstören, laufen in Gefahr übernommen und zerlegt zu werden – auch gegen ihren eigenen Willen.

Empirische Studien ergaben: Zunehmende Diversifikation führt nicht automatisch zu zunehmendem Erfolg. Die Diversifikation der Unternehmung schafft Wert, wenn sie attraktive Geschäfte verbindet, in denen die gleichen Fähigkeiten erfolgsentscheidend sind.


2. Das Kernkompetenzen – Konzept

2. 1. Definition von Kernkompetenzen

Kernkompetenzen sind unternehmensspezifische Fähigkeiten. Sie werden in einem Prozess permanenter Verbesserung und Anreicherung aufgebaut, der sich über eine Dekade oder mehr erstreckt. Sie schließen Mitarbeiter aller Bereiche und Ebenen ein, nutzen sich im Gebrauch nicht ab, sondern reichern sich sogar an, wenn sie eingesetzt, mit anderen geteilt und fortwährend weiterentwickelt werden. Kernkompetenzen sind vor allem Wissen. Das Bewusstsein der eigenen Kernkompetenzen ist Basis für den Erfolg des Unternehmens.

Das Kernkompetenzen–Konzept besagt, Unternehmen sollen sich auf ihre ureigensten Fähigkeiten besinnen und diese voll ausschöpfen, so daß Qualität, Zeit, Kosten optimal ausgestaltet werden.


2. 2. Das Kernkompetenzen - Konzept als Gegenkonstruktion zum

Strategische Geschäftseinheiten – Konzept

Zur Illustration des Aufbaus und der Ausschöpfung von Kernkompetenzen dient die Metapher eine Unternehmung als Baum zu sehen. Das Wurzelgeflecht, das den Baum hält und nährt, stellt die Kernkompetenz dar. Der Stamm und die dicken Äste sind als Kernprodukte zu betrachten, die kleineren Äste und Zweige die Geschäftsbereiche und die Blätter, Blüten und Früchte die Endprodukte.
Unternehmen





Elemente





Canon
NEC
Benetton
Kernkompetenzen
Optik/ Bildverarbeitung/ Mikroprozessorsteuerung /Feinmechanik
Systemintegration in der Digitaltechnik / Miniaturi-sierung von Schaltkreisen
Optimierung und Steuerung von deintegrierten Geschäftsprozessen,
Ausgefeilte IS/IT – Strategie
Kernprodukte
Optische Präzisionsgeräte und Gerätebaugruppen
Elektronische miniatu-risierte Baugruppen
Deintegrierte Produktions- und Distributionsprozesse
Endprodukte
Fotokopiermaschinen, Foto- bzw. Videokameras, Faxgeräte, Drucker, Justiergeräte für die Chipproduktion
PCs, Peripheriegeräte, Telekommunikationsausrüstung
Freizeitmode, Sportartikel, Financial Services
Geschäftseinheiten
Kopiergeräte, Video, Photo, Computerperipherie
Personal C&C, Network System Divisions, Elektronic Devices Group
Regionale Vertriebsorganisa-tion für Bereich Mode, für Fi-nanzdienstleistung eigene GE

Tabelle 1: Kernkompetenzen in verschiedenen Unternehmen und deren organisatorische Abbildung in Geschäftseinheiten [1]

Ein Unternehmen sollte besser als Portfolio von Kompetenzen, nicht als Portfolio von Geschäftseinheiten gesehen werden.


2. 3. Folgerungen aus dem Kernkompetenzen - Konzept für das Management

· Kernkompetenzen müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden.

· Das Topmanagement muss sicherstellen, dass kompetente Mitarbeiter nicht nur einem Geschäftsbereich dienen.

· Kompetenzstandards sind erste Kandidaten für Outsourcing-Entscheidungen, d.h. das was jeder kann, kann auch fremdbezogen werden (Beschränkung auf Kernkompetenzen).

· Ein ständiger Know-how-Transfer innerhalb der Organisation muss gefördert werden, nach außen hin gilt es jedoch ihn besser abzuschirmen.

· Regelmäßiges Zusammentreffen von Kernkompetenzträgern muss gefördert werden

· Viele Reisen, häufige Kundengespräche und wiederholte Treffen mit Kollegen befähigen Kompetenzträger dazu, neue Marktchancen aufzuspüren.

· Ein Unternehmen muss künftig nicht nur projektorientiert vorgehen, sondern auch vernetzungsfähig sein, um mit den sehr unterschiedlichen Partnern (Lieferanten, Konsortien, Kunden, Tochterunternehmen) bei Großprojekten effizienter kooperieren zu können.


2. 4. Problematik der Identifikation von Kernkompetenzen

Der Identifizierungsprozess von Kernkompetenzen teilt sich grundsätzlich in folgende vier Analyseschritte auf.

1. Erfassung der firmenspezifischen Erfolgsgeschichte

2. Erarbeitung relevanter Zukunftstrends und Schlüsselfähigkeiten

3. Ermittlung der eigenen bedeutenden Kompetenzen

4. Anwendung des Bewertungsrasters zur Kompetenzselektion

Man unterscheidet fünf Zugänge zu den Kernkompetenzen: Erfolgreiche Produkte, Wahrnehmung von Kunden und Lieferanten, Zukunftstrends, Benchmarking mit Spitzenunternehmen, Fähigkeiten der Schlüsselpersonen und –bereiche.


2. 5. Unterscheide drei Wettbewerbsebenen

Nach dem Vorbild der Baummetapher die zwischen Kernkompetenzen, Kernprodukten und Endprodukten unterscheidet sollten auch drei Wettbewerbsebenen unterschieden werden, denn der globale Wettbewerb geht auf jeder dieser Ebenen vor sich.

Es werden also analog drei inhaltliche Ebenen differenziert:

1. Wettbewerbsebene: die Ebene der Kernkompetenzen

2. Wettbewerbsebene: die Ebene der Kernprodukte

3. Wettbewerbsebene: die Ebene der Endprodukte.


2. 6. Vorteile des Kernkompetenzen – Konzeptes

· Kernkompetenzen geben dem Gesamtunternehmen eine Identität von neuer Qualität und helfen, neue Produkte und Geschäftsfelder zu kreieren.

· Die Flexibilität des Unternehmens erhöht sich.

· Die Angst, durch Ausgliederung von Aktivitäten - etwa durch die vollständige Fremdvergabe - die eigenen Wettbewerbsvorteile zu senken, kann entschärft werden.

· Eine interne Sensibilisierung aller Mitarbeiter für strategische Ressourcen wird durch die erhöhte Kommunikation hervorgerufen, ein gemeinsames Bewusstsein innerhalb des gesamten Unternehmens wird geschaffen.

· Durch die Vervielfachung der Anwendungsfelder ihrer Kernprodukte kann die Unternehmung fortlaufend Kosten, Zeiten und Risiken bei der Entwicklung neuer Produkte reduzieren.

· Durch das Kernkompetenzen– Konzept wird es möglich, über die Grenzen des Unternehmens hinaus weiterzudenken und die Potentiale externer Kooperationen oder Allianzen zu entdecken.

· Reiner Marktbezug, Joint-Ventures und Unternehmensfusionen erscheinen unter anderem Licht, wenn die Kernkompetenzen bekannt.


2. 7. Probleme des Kernkompetenzen – Konzeptes

· Kernkompetenzen sind schwer zu identifizieren.

· Durch die Dezentralisierung wurden Kernkompetenzen häufig aufgesplittert.

· Für die Entwicklung von Kernkompetenzen und Kernprodukten müssen viele Mittel aufgebracht werden


3. Kommentar

Eine Diversifikation auf Basis der Kernkompetenzen ermöglicht es die Gefahren beim Eintritt in einen neuen Markt erheblich zu mindern und trotzdem die ursprünglichen Ziele der Diversifikation zu realisieren. Ziel sollte es also sein, Diversifikationsfelder zu identifizieren, die eine Übertragung der Kernkompetenzen ermöglichen.

Das Kernkompetenzen–Konzept ist nicht als einziges strategisches Analyse- und Beurteilungs- instrument zu interpretieren. Diese Sichtweise ersetzt nicht andere strategische Perspektiven, sondern erweitert sie. Daraus wird deutlich, dass momentan eine Integration bzw. Verknüpfung des vorgestellten Ansatzes mit parallel geführten Argumentationslinien noch ansteht.



III. Praxisbeispiele



Literatur:
Boos, F., Jarmai, H.: Kernkompetenzen – gesucht und gefunden, in: Harvard Business Manager, 1994, Heft 4, S. 19-26.

Lehmann, R.: Kann Diversifikation Wert schaffen?, Stuttgart 1993.

Nasner, N.: Identifikation von Kernkompetenzen, in: Absatzwirtschaft, 1998, Heft 3, S. 40-43.

Prahalad, C.K., Hamel, G.: Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben, in: Harvard Business Manager, 1991, Heft 2, S.66-80.





















Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de