Produktionsoptimierung
Autor: Martin Weidlich Semester: WS 1999/2000 Grundstudium
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Produktionsoptimierung






Begriffsklärung

Das Produktionsmanagement vereint die klassischen Disziplinen der Industriebetriebslehre und der Produktionswirtschaft:

"Produktionsmanagement umfaßt die zielorientierte Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle industrieller Wertschöpfungs- und Leistungserstellungsprozesse."

Der Optimierungsvorgang : Abgrenzen des zu optimierenden Gegenstands (hier: Produktions prozesse ) Þ Formulierung eines Optimalzustandes in Form eines Zielkatalogs, wobei auf strategischer Ebene Überlegungen zur Positionierung des Unternehmens im Markt , auf operativer Ebene Fragen der innerbetrieblichen Verbesserung der Produktionsprozesse im Vordergrund stehen Þ Implementation und Erfolgskontrolle.
Zentrale Fragen des strategischen Produktionsmanagements

  1. Strategische Produktionsprogrammplanung
Das Abbilden von Kundenbedürfnissen im Produktionsprogramm ist ein Erfolgsfaktor. Daher muß die Weiterentwicklung des Produktionsprogramms als dynamische und unternehmensweite Aufgabe verstanden werden. Impulse können und müssen von vielen Bereichen ausgehen, um programmplanerische Entscheidungen auf eine breite Wissensgrundlage zu stellen und somit die Entscheidungssicherheit zu erhöhen: F&E, Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, Wissens- und Informationsmanagement, Finanzierung etc. Die vorhandenen Impulse müssen zügig in Produktinnovationen umgesetzt werden ( à Innovationsmanagement). Ziel muß der Aufbau oder Ausbau einer Unique Selling Proposition (USP) sein.
Märkte alt
Marktdurchdringung
Produktentwicklung
neu
Marktentwicklung
Diversifikation
alt
neu
Produkte
Folgende Instrumente kommen bei der Programmplanung zum Einsatz: b) Festlegen der Kernkompetenzen

Welche Arten der Leistungserstellung sollen im Unternehmen durchgeführt werden ( Make-or-Buy -Entscheidungen)? Entscheidungskriterien:

    Kapazitätskriterien Kapazitätsunterauslastung Þ "make"

    Kapazitätsüberauslastung Þ "buy" (nur so kann "horizontales Wachstum", also die Ausweitung des "Umsatzes" der bisherigen Leistungen, sichergestellt werden)

    Sicherheitskriterium Vergleich der Parameter Qualität, Termintreue und Verantwortlichkeit für den "make"- und den "buy"-Fall
    Kostenkriterien Kann eine bessere Qualität bei niedrigeren Kosten erreicht werden? Jede Kostendegression hat ihre Grenzen (Parkinson; Notwendigkeit von verstärkten Absatzbemühungen etc.)

    Erfahrungsgemäß lohnt eine Buy-Entscheidung nur, "wenn mindestens eine 20prozentige Kostendifferenz zwischen externem und internem Anbieter liegt, da sonst eventuelle Risiken bei Fremdbezug nicht gedeckt werden können."

c) Festlegen, wo produziert werden soll
  1. Auswahl entscheidungsrelevanter Standortfaktoren
  2. Bewertung und Gewichtung der Standortfaktoren
  3. Ermittlung des standortabhängigen Gewinns
In der Praxis häufig anzutreffende Standortstrategien sind: Produktsegmentierung ( « strategische Geschäftsfelder), verfahrensorientierte Dreiteilung der Standorte (Vorfertigung, Fertigung, Montage) oder Regionalisierung des Fertigungsverbundes (bei marktspezifischen, sich schnell umschlagenden Produkten).
Zentrale Fragen des operativen Produktionsmanagements

a) Operative Produktionsprogrammplanung

Auf der Basis zuvor erarbeiteter Absätzpläne werden die konkreten Fertigungsmengen spezifischer Perioden ermittelt. Eine der Hauptaufgaben dabei ist die zeitliche Abstimmung der Produktions- und Absatzmengen. Man unterscheidet hier zwei Extreme (Bloech: S. 123):

Bei ausschließlicher Betrachtung der Kosten gilt die Optimierungsregel: Produktions- und Absatzprogramm sollten derart aufeinander abgestimmt werden, daß die Summe aus Lagerhaltungs- und Produktionskosten minimal wird.

b) Bereitstellungsplanung

Kernfrage: Wie werden die zur Fertigung des Produktionsprogramms erforderlichen Produktionsfaktoren in der benötigten Menge zur rechten Zeit am rechten Ort bei möglichst geringen Kosten verfügbar gemacht?

Bereitstellungsaufgaben sind für einige Faktoren (z.B. menschliche Arbeit) neben dem Produktionsbereich auch in anderen Unternehmensbereichen wahrzunehmen Þ Schnittstellen Þ Schnittstellenmanagement.

Verfahren zur Bedarfsermittlung:

Bei der Bedarfsermittlung stößt man meist auf dasselbe Optimierungsproblem (eigene Abbildung nach: Grap: S. 235):
Reduzierung von Beständen und Kapitalbindung
¬ ®










Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de
Minimierung der Materialbereitstellungskosten
­
Zielkonflikte
der
Disposition





­
®
Sicherstellung einer hohen Lieferbereitschaft
¬


Mit Hilfe von Lagerhaltungsmodellen wird dann unter Berücksichtigung vorhandener Restriktionen (Lagerraum, Budget, Handling) die optimale Bestellmenge ermittelt.

c) Durchführungsplanung

Ziel der Durchführungsplanung ist die wirtschaftliche Abwicklung der Produktion. Den Rahmen setzen hier die der Produktion zugrundeliegenden Produktionsprogramme und Produktionsprozesse. Kernaufgaben sind die Festlegung von Fertigungslosgrößen und die Ablaufplanung. Dabei sind eine Vielzahl von lang-, mittel- und kurzfristigen Handlungsmöglichkeiten des Produktionsbereichs festzulegen (Bloech: S. 236):
  • innerbetriebliche Standorte für Aggregate oder Abteilungen
  • innerbetriebliche Transportvorgänge
  • Struktur von Fabrikgebäuden
  • Fertigungsverfahren (Werkstattfertigung, Fließfertigung, ...)
  • Integrierte Betrachtung ist notwendig
  • "Maschinisierungsgrad" der Fertigung
  • Anzahl und Art der einzelnen Fertigungsstufen sowie deren Kapazitäten
  • Anzahl und Art der Fertigungsstationen (=Arbeitsplätze) in den einzelnen Fertigungsstufen
  • Struktur der Produktion
  • Zuordnung von Personen zu Fertigungsstationen
  • Zusammensetzung von Gruppen und Abteilungen
  • Schnittstelle zw. Produktions- u. Personalplanung
  • Einsatzmengenverhältnisse der Faktoren bei bestimmten Organisationstypen
  • Reihenfolge der Produktbearbeitung in den einzelnen Fertigungsstationen (Reihenfolge- bzw. Ablaufplanung, Fertigungssteuerung)
  • Terminplanung
  • Lagerhaltung in der Produktion und dementsprechend Losgrößenbildung
  • Detailplanung, Feinabstimmung und Koordinierung





    Sobald nicht identische Erzeugnisse auf denselben Aggregaten gefertigt werden (gemeinsame Produktion, bei der Serien- oder Sortenfertigung der Fall) müssen die Fertigungslosgrößen optimiert werden. Dabei existieren zwei Ziele zwischen denen Zielkonkurrenz herrscht:

    Unterbrechungsfreie Fertigung eines Fertigungsloses und damit Einsparung von Umrüst- und Anlaufvorgängen
    Û
    Minimierung von Lagerhaltungskosten, die durch große Losgrößen entstehen

    Teil der Durchführungsplanung ist auch die Ablaufplanung, die die Minimierung von Rüst-, Verzugs- und Kapitalbindungskosten anstrebt. "Dilemma der Ablaufplanung" (Gutenberg): Zielkonkurrenz zwischen Minimierung der Gesamtdurchlaufzeit" und "Maximierung der Kapazitätsauslastung".

    Reihenfolgeplanung: Erarbeitung eines zulässigen Belegungsplans und Festlegen der Bearbeitungsreihenfolge (welche Arbeitsschritte werden auf welcher Maschine bei welchem Produkt wann ausgeführt?) unter Minimierung der (Um-)Rüstkosten.


    Herausforderungen für das Produktionsmanagement

    a) Handlungsbedarf für das strategische Produktionsmanagement

    b) Handlungsbedarf für das operative Produktionsmanagement

    Das operative Produktionsmanagement muß sich der strategisch notwendigen Bildung global operierender Wertschöpfungsnetzwerke anpassen. Das heißt:

    Daraus läßt sich eine Vielzahl von Einzelzielen ableiten:
    Unternehmens-übergreifendes Lean Production (siehe Abb. ‡ ) Konzept
    • Optimierung unternehmensübergreifender Materialfluß- und Informationsflußsysteme durch JIT, CIM, SCM etc.
    • TQM entlang der gesamten Wertschöpfungskette
    • Simultaneous Engineering und Steigerung der Entwicklungsflex.; Retrogrades Vorgehen bei der Produktentwicklung
    Produktions-technische Voraussetzung für Mass Customization schaffen
    • Produktplattformen so einführen, daß die wirtschaftlich optimale Balance zwischen Einheitlichkeit und Unterscheidbarkeit gefunden wird; Normierung
    • Darstellen der Wahlmöglichkeiten für den Kunden, z.B. im Internet
    • Wirtschaftlich angezeigte Reduzierung der Durchlaufzeiten
    Sonstige wichtige Aspekte
    • Controlling für das gesamte Unternehmensnetzwerk mit geeigneten Schlüsselkennzahlen betreiben: Flußgrad etc.
    • Bereitstellungsplanung nach der Bedeutsamkeit und der Vorhersagbarkeit der Produktionsfaktoren ausrichten (ABC- und XYZ-Analyse)
    • Abbau des Umlaufvermögens

    Exkurs : Vor- und Nachteile der Plattformplanung

    Vorteile:

    Nachteile:


    Abbildungen

    Abb. 1 : Ziele und Zielkonflikte im Produktionsmanagement

    kurze Durchlaufzeit
    Termintreue
    hohe Auslastung Zielkonflikt!!!!!
    hohe Flexibilität
    niedrige Bestände

    Abb. ‚ : Zielsystem des industriellen Produktionsmanagements

    Abb. ƒ : Praktische relevante Einflußgrößen auf die Beschaffungsmenge

    Abb. „ : Einfluß von Dispositionsentscheidungen auf betriebliche Kennzahlen (Grap: S. 223)





    Abb. : Entwicklung des sozialen Systems in der Produktion



    Abb. † : Entwicklungsstufen der Produktionstechnik

    Abb. ‡ : Grundmerkmale von Lean Production
    kontinuierlicher Verbesserungsprozeß
    technische Ausstattung
    wenig komplizierte/ robuste Automatisierungstechnik

    ? hohe Prozeßsicherheit

    ? hohe Verfügbarkeit

    Überwachung, Fehlerkontrolle;

    schneller Werkzeugwechsel

    ? niedriger Rüstungsaufwand

    Just-in-Time
    synchronisierte Produktionsabläufe;

    Materialabruf nach Holprinzip;

    kleinste Losgrößen;

    definierte niedrige Umläufe;

    standardisierte Tätigkeitsausführung;

    mehrmals tägliche Auslieferung durch Zulieferer;

    Fehlerkontrollsystem

    automatisierte Fehlerkontrolle;
    sofortiger Produktionsstillstand bei Auftreten eines Fehlers;

    Fehlerinformationssystem;

    sofortige Fehlerbeseitigung und Ursachenforschung;

    schnelle und nachhaltige Beseitigung der Fehlerursache;

    Arbeitsorganisation

    selbständige Arbeitsgruppen;
    Job-rotation;

    geringe Anzahl der indirekten Mitarbeiter;

    flexible Arbeitskraftverteilung;

    Konzentration auf Wertschöpfung;

    Kontrolle der Einhaltung der Zykluszeiten;

    Qualifikation & Motivation

    techn., fachliche Qualifikation;
    multifunktionaler Mitarbeiter mit erweiterten Einsatzmöglichkeiten;

    Kommunikations-, Darstellungs-, Konfliktlösungs-, Problemlösungsfähigkeiten;

    Verpflichtungen, Vertrauen, Verantwortung;

    Wertschöpfungs- und Prozeßorientierung