Vergleichende Betrachtung und kritische Analyse der Investitionsrechnung
Autorin: Christine Distler Semester: WS 1999/2000 Grundstudium
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Vergleichende Betrachtung und kritische Analyse der Investitionsrechnung

1. Bedeutung und Probleme der Investitionsrechnung


Investitionsrechnung:

· Verrechnung und Bewertung der zahlenmäßig erfaßbaren Faktoren der Kapitalanlage; Vernachlässigung imponderabler Faktoren (wertmäßig nicht quantifizierbare Faktoren, wie z.B. Unfallhäufigkeit, leichte bzw. schwere Bedienbarkeit, Abhängigkeit von Zulieferern,...)

· Basis: Ein- und Auszahlungen des Investitionsobjekts

· Zuordnungsproblematik aufgrund: 1. Unsicherheit der Daten (Verteuerung der Inputfaktoren, Preisverfall oder Unverkäuflichkeit des Absatzproduktes, Zinssteigerungen, Wechselkursveränderungen, Inflation, Gesetzesänderungen oder technische Probleme...).

· 2. Interdependenzen : Indirekte Abhängigkeiten zwischen den Investitionsprojekten aufgrund gegenseitiger Behinderung durch Inanspruchnahme gleicher Potentiale (verfügbare Kapital, Menge an Produktionsfaktoren, Absatzmöglichkeiten...) oder Synergieeffekte (z.B. spill-over-Effekt). Erbringen mehrere Anlagen zusammen die Marktleistung oder wird die betriebliche Infrastruktur gemeinsam genutzt, so entstehen direkte Interdependenzen.

* Setzen von Prämissen; Modellbildung

* Fragestellungen:

- Ist ein geplantes Investitionsprojekt (unter bestimmtem Voraussetzungen) absolut vorteilhaft ( Vorteilhaftigkeitskriterium )?

- Welches von zwei oder mehreren Investitionsmöglichkeiten ist das vorteilhafteste ( Auswahlproblem )?

- Wann soll ein gegenwärtig genutztes Investitionsobjekt ersetzt werden ( Ersatzproblem )?


2. Überblick über die klassischen Investitionsrechenverfahren

ø è

statische Verfahren dynamische Verfahren

-Kostenvergleich -Kapitalwertmethode

-Gewinnvergleich -Interne Zinssatz-Methode

-Rentabilitätsvergleich -Annuitätenmethode

-stat. Amortisationsrechn. -dyn. Amortisationsrechnung

Prämissen : keine Interdependenzen, Sicherheit der Daten, Zurechnungsproblem gilt als gelöst



3. Vergleichende Betrachtung und kritische Analyse statischer Verfahren

3.1 Kostenvergleichsrechnung

- Minimierung der Durchschnittskosten / Kosten der ersten Nutzungsperiode ( ® Gewinnmaximierung)

- Kostenbestandteile: Betriebskosten (Personal-, Material-, Reperaturkosten...) und

Kapitalkosten (kalkulatorische Abschreibung, kalkulatorische Zinsen)

-










Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de
Verwendung unzweckmäßiger Rechnungselemente; keine Berücksichtigung eines unterschiedlichen Kapitaleinsatzes und einer unterschiedlichen Nutzungsdauer; nur bei gleicher Qualität der Produkte anwendbar, kein absoluter Vorteilhaftigkeitsvergleich und Rentabilitätsvergleich möglich


3.2 Gewinnvergleichsrechnung

- Maximierung des durchschnittlichen Gewinns

+


Qualitätsunterschiede zwischen den Produkten zulässig; absoluter Vorteilhaftigkeitsvergleich möglich

-

Verwendung unzweckmäßiger Rechnungselemente; keine Berücksichtigung eines unterschiedlichen Kapitaleinsatzes und einer unterschiedlichen Nutzungsdauer; kein Rentabilitätsvergleich möglich


3.3 Rentabilitätsvergleichsrechnung

- Maximierung der Rentabilität (= Â Periodengewinn *100 : Â Kapitaleinsatz)

+


Berücksichtigung eines unterschiedlichen Kapitaleinsatzes; Rentabilitätsvergleich möglich

-

Verwendung unzweckmäßiger Rechnungselemente; keine Berücksichtigung einer unterschiedlichen Nutzungsdauer


3.4 Statische Amortisationsrechnung (Pay-Off-Rechnung)


- Minimierung der Amortisationszeit ( Kapitaleinsatz : Â Periodenrückfluss)

- Zielkriterium: Risikominimierung

+

zweckmäßige Rechnungselemente

-

keine Aussage über Rentabilität


3.5 Beurteilung statischer Verfahren

+


einfache Handhabung, geringer Kosten- und Zeitaufwand, einfache Beschaffung relevanter Daten

-

kurzfristige, statische Betrachtungsweise, nur Vergleich zweier Zustände; Verwendung von Durchschnittswerten und meist unzweckmäßigen Rechnungselementen; keine Berücksichtigung von Veränderungen der Rahmenbedingungen


4. Vergleichende Betrachtung und kritische Analyse dynamischer Verfahren


4.1 Kapitalwertmethode

- Maximierung des Kapitalwertes (Summe der Barwerte aller Ein- und Auszahlungen)

- Kalkulationszinssatz: subjektive Mindestverzinsungsanforderung des Investors an das Investitionsprojekt

+



Unterschiede im Kapitaleinsatz und der Nutzungsdauer können durch Annahme von Ergänzungsinvestitionen beseitigt werden (unter Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes).

-

Probleme bei der Bestimmung des - subjektiven - Kalkulationszinssatzes


4.2 Interne Zinssatz - Methode

- Interner Zinsfuß: Zinsfuß, bei dem Kapitalwert gleich Null

- Vorteilhaftigkeit eines Investitionsprojektes: Interner Zinsfuß größer als vom Investor zugrundegelegte Kalkulationszinsfuß

+


„interne Rendite“ von Änderungen des Kalkulationszinsfußes unabhängig, Abschätzung der Zinsempfindlichkeit des Projekts.

-

Probleme bei der Berechnung des internen Zinsfußes


4.3 Annuitätenmethode und dynamische Amortisationsrechnung

- Maximierung der Annuität (= Höhe des durchschnittlichen Periodenüberschusses)

- Liquiditätsüberlegungen

- Minimierung der dynamischen Amortisationszeit (= Zeit, bis Anschaffungsauszahlung nebst Verzinsung zum Kalkulationszinssatz wiedergewonnen wird)

+


Beinhalten einer angemessenen Verzinsung

-

Abhängigkeit der dynamischen Amortisationszeit vom - subjektiven - Kalkulationszinssatz


4.4 Beurteilung dynamischer Verfahren

+


exakte Erfassung der Ein- und Auszahlungen (statt Durchschnittsbetrachtung); Berücksichtigung von Zinseszinsen

-

Prämisse des vollkommenen Kapitalmarktes; keine Berücksichtigung von Veränderungen der Rahmenbedingungen


5. Ungewißheitsbedingte Ergänzungsverfahren


5.1 Korrekturverfahren

- prozentuale Risikoaufschläge (Auszahlungen, Kalkulationszinsfuß) bzw. Risikoabschläge (Einzahlungen, Nutzungsdauer)

-



ausschließlich Berücksichtigung ungünstiger Zukunftserwartungen; Annahme der Unsicherheit bei Größen, die selbst gar nicht unsicher sind ( z.B. Nutzungsdauer)


5.2 Sensitivitätsanalyse

- Aufdeckung von Zusammenhängen zwischen dem Input einer Investitionsrechnung und ihrem Output

- mehrere Berechnungsvorgänge mit optimistischen, normalen und pessimistischen Schätzungen

- Fragestellungen:

1. Wie weit darf der Wert einer oder mehrerer Inputgrößen vom ursprünglichen Wertansatz abweichen, ohne daß die Outputgröße einen vorgegebenen Wert über- oder unterschreitet (Verfahren der kritischen Werte)?

2. Wie verändert sich der Wert der Outputgröße bei vorgegebener Abweichung einer oder mehrerer Input- größen vom ursprünglichen Wertansatz?

+


Relevanz der Unsicherheit für die Entscheidungsfindung

-

Probleme bei der Bestimmung funktionaler Abhängigkeiten zwischen den Inputfaktoren; keine Umsetzung in Entscheidungskriterium


5.3 Risikoanalyse

- Arbeiten mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen

- Grundlage der Beurteilung eines Investitionsobjekts: Erwartungswert und Standardabweichung

-


Annahme, daß alle Inputgrößen zufallsabhängig; Probleme bei der Bestimmung stochastischer Abhängigkeiten und Wahrscheinlichkeitsverteilungen


5.4 Entscheidungsbaumverfahren

- graphische Veranschaulichung am Baum

- optimale Lösung: maximaler Erwartungswert des Kapitals

- Verwendung des Roll-Back-Verfahrens

+


Einbeziehung zustandsabhängiger Folgeentscheidungen


6. Weiterentwicklungen der Investitionsrechnung


6.1 Berücksichtigung von Steuern

- Relevanz der Ertragssteuern (insbes. Einkommens-, Körperschafts-, Gewerbesteuer)

- Substanzbesteuerung von Investitionen im gewerblichen Bereich entfällt seit 1998

-



Zurechnungsproblem


6.2 Nutzwertanalyse

- Berücksichtigung imponderabler Faktoren

-


großer Aufwand


6.3 Investitionsmodelle

- Kapitalwertmodell: Berücksichtigung indirekter Interdependenzen

- Integrationsmodell: Berücksichtigung direkter und indirekter Interdependenzen

- Maximiere Zielfunktion unter Nebenbedingungen wie Kreditrestriktion, Liquiditäts- und Absatzbedingungen sowie Beschaffungsrestriktionen


Literaturhinweise:

Blohm / Lüder: Investition, 8. Aufl., München 1995

Jaspersen, T.: Investition, München, Wien, Oldenburg 1997

Perridon / Steiner: Finanzwirtschaft der Unternehmung, 9. Aufl., München 1997