Die Umsetzung des Marketing-Mixes

- am Beispiel der Sortimentserweiterung bei einem Hersteller für Heiztechnik -

-Christina Rothenhöfer-

Angesichts der angespannten konjunkturellen Lage gelingt es immer weniger Unternehmen, das angestrebte Wachstum zu erreichen. Es wäre daher eigentlich zu erwarten, daß vor allem marktführende Unternehmen in der Lage sind, die bekannten Instrumente des Marketing-Mixes optimal auszuschöpfen. Dem ist allerdings nicht immer so, wie das folgende Beispiel illustriert.

Basisinformation und Vorgehensweise

Die betrachtete Heiztechnikfirma hat innerhalb ihrer bisherigen Produktpalette (Heizkessel, Regelungen, Warmwasserbereitung und Wärmegewinnung mit Hilfe regenerativer Energien) immer die Wachstumsstrategie der Produktinnovation auf einem hohen technischen und qualitativen Niveau verfolgt. Mit ihrer Leistungspalette zählt sie neben zwei Konkurrenzfirmen zu den Marktführern in Deutschland.

Da in der Heiztechnikbranche die Wachstumsaussichten nicht mehr so gut sind, beschloß die Firmenleitung eine Sortimentserweiterung um Heiztechnikzubehör. Diese Produkte werden im Gegensatz zu dem bisherigen Programm aber nicht selbst entwickelt und hergestellt, sondern von Markenherstellern zugekauft.
Aus den Teilbereichen des Marketing-Mixes sollen nun einige interessante Probleme und Problemlösungen bei einer solchen Sortimentserweiterung betrachtet werden.

(Die Darstellung wird auf die Sichtweise und Reaktionsmöglichkeiten einer ein-zelnen Niederlassung beschränkt. Großangelegte Werbekampagnen oder ähnliche Maßnahmen, die nicht zum Aufgabenbereich der Niederlassungen gehören, werden also ausgeklammert.)

Abb. 1: Vierer Systematik des Marketing-Mixes

Schwierigkeiten bei der Sortimentserweiterung

Die Produkteinführung erfolgte im Sommer 2001, doch bis Jahresende waren praktisch keine Umsätze in der neuen Produktlinie zu verzeichnen. Damit wurde klar, daß die Einführung nicht so problemlos verlaufen würde, wie gewünscht.

Doch nun wurde nicht etwa die zentrale Marketingabteilung des Stammwerkes damit beauftragt, dieses Problem zu lösen, sondern die Niederlassungen. Dieses dezentrale Vorgehen wurde damit begründet, daß so jede Niederlassung die Möglichkeit haben sollte, auf die Besonderheiten ihres Kundenstammes einzugehen.

So mußte jede der etwa 40 Niederlassungen in Deutschland eigene Maßnahmen erarbeiten, um Umsatz der neuen Produkte zu steigern.

Abgesehen davon, daß hier die Synergien einer Zusammenarbeit völlig außer acht blieben, kommt erschwerend hinzu, daß die Mitarbeiter in den Niederlassungen nicht über ausreichende Marketing-Kenntnisse verfügten. Im übrigen ist durchaus fraglich, ob die Unterschiede der Kunden deutschlandweit wirklich so gravierend sind, daß ein derart kostenintensives Vorgehen zu rechtfertigen wäre. Hätten sich die Fachkräfte der zentralen Marketingabteilung dieses Problems angenommen, wäre die Durchführung wesentlich günstiger und weniger risikoreich gewesen.

Durch den engen Kontakt zu den Heizungsbauern, an die die Artikel vertrieben werden, erkannte man schon gegen Ende des Jahres 2001, daß die meisten Firmen trotz Anschreiben und einer geplanten Unterrichtung durch den Außendienst der Heiztechnikfirma nicht über die Sortimentserweiterung informiert waren. Die Mehrheit der Kunden erfuhr nach eigenen Angaben erst im Frühjahr 2002 oder noch später von der Produktlinie. Mehrere Gründe sind hierfür ursächlich:

  1. Direktmarketingmaßnahmen, die nicht den direkten Kundenkontakt (also Hausbesuche oder zumindest Telefonkontakte) einschließen, wirken bei dem Kundenstamm erfahrungsgemäß sehr schlecht. Die Heizungsbauer werden mit den vielfältigen Informationen der Heiztechnikfirmen regelrecht bombardiert. Da sie diese Informationsflut nicht bewältigen können, geht vieles unter. Obwohl dieses Problem bereits bekannt ist, greift die Heiztechnikfirma immer wieder auf die gleichen Aktionen (Serienbriefe und Serienfaxe) zurück, weil sie einfach und schnell umsetzbar sind.

  2. Hier müßte also mehr auf den persönlichen Verkauf gesetzt werden. Auch sollten Hilfen gegeben werden, die Informationsflut besser zu bewältigen.
  3. Die Ausstattung mit Hilfsmitteln für den Außendienst (Handbücher und Musterkoffer) erfolgte vom Stammwerk erst ein halbes Jahr nach der Produkteinführung, also viel zu spät
  4. Eine Befragung der Mitarbeiter ergab ein weiteres gravierendes Problem: Trotz einer Informationsveranstaltung durch das Stammwerk schätzte die Mehrheit des Personals ihr Wissen über die neuen Produkte als mittelmäßig oder gering ein. Sie gaben sogar zu, möglichen Kundenfragen zu den Produkten aus dem Weg zu gehen, aus Angst, die Fragen nicht beantworten zu können..

  5. .
    Abb. 2: Selbsteinschätzung der Produktkompetenz durch die Mitarbeiter
    Weitere Mißverständnisse gab es bei der Preispolitik : Die Abnehmer hielten die Produkte für zu teuer, da der Listenpreis deutlich über dem des Großhandels lag. So dachten die Heizungsbauer, der gewährte Rabatt sei nur ähnlich hoch wie beim Großhändler. Daß der tatsächliche Rabatt aber wesentlich über dem des Großhandels lag, so daß sich der höhere Listenpreis und der höhere Rabatt wieder ausglichen, fiel den meisten nicht auf.


Marktforschung

Marktforschung wird in dem Heiztechnikunternehmen nicht gerade groß geschrieben. In den Niederlassungen wird weder Primär- noch Sekundärforschung betrieben. Da es sich bei der Firma um ein mittelständisches Unternehmen handelt, kann es verständlicherweise keine so aufwendigen Forschungen bezüglich des Konsumentenverhaltens betreiben wie Großkonzerne. Das bedeutet aber für einen kleinen Betrieb noch lange nicht, daß er komplett auf wichtige, richtungsweisende Informationen vom Kunden verzichten muß. Vielmehr könnte er eine stark vereinfachte Markterkundung einsetzen.

Im Bereich Sekundärforschung könnte das Heiztechnikunternehmen ohne viel Aufwand an Detailinformationen gelangen. So werden sämtliche Umsätze nach Produktlinien sortiert in einer Datenbank erfaßt. Es existieren aber keine Filter mit denen man diese Informationen sinnvoll auswerten kann. Man hätte mit geeigneten Programmen beispielsweise abfragen können, welche Kunden noch keine Produkte der neuen Reihe bestellt haben. Dann hätte man insbesondere bei A-Kunden gezielt nachfragen können, warum dies nicht geschah. So wäre man früher auf die existierenden Probleme aufmerksam geworden.

Im Bereich der Primärforschung gibt es speziell bei diesem Unternehmen schon einen guten Ansatzpunkt. Insbesondere bei schriftlichen Befragungen ist ja die Rücklaufquote immer ein Problem. Aber dieses Heizungstechnikunternehmen bietet seinen Kunden einen interessanten Service, der sich hierfür nutzen läßt: Die Heizungsbauer können sich kostenlos über sämtliche Produkte sowie deren Montage und Reparatur schulen lassen. Wird nun im Rahmen einer solchen kostenlosen Schulung eine Befragung vorgenommen, ließe sich durch den persönlichen Kontakt eine wesentlich höhere Rücklaufquote erzielen. Auch für eine mündliche Befragung können die Seminare genutzt werden, ebenso die Kundenbesuche durch den Außendienst oder die häufigen Telefonkontakte mit dem Innendienst.

Im übrigen kann auch eine geringe Anzahl Befragter qualitativ hochwertige Informationen liefern. ( ® Beyer, Horst-Tilo (2001); Kundenbefragung im Abseits, http://www.uni-erlangen.de/economics/bwl/bpract/kubefr/kubefr.htm )

Fazit

In der Heiztechnikbranche sind selbst bei den Marktführern bei weitem noch nicht alle Potentiale des Marketing ausgeschöpft. Die dargestellten Probleme zeigen, daß selbst kleine Fehler, Unachtsamkeiten oder Unwissen eine große Wirkung haben. Aber deren Behebung ist nicht so aufwendig und kostenintensiv, daß sie für kleine und mittelständische Betriebe ausgeschlossen wäre.



Literaturempfehlungen




Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de