Marketingkonzepte für den Zukunftsmarkt China
- konkretisiert am Beispiel der Automobilbranche-

Tom Weber
(Kontakt: tom.weber@nefkom.net)


Der chinesische Automobilmarkt hat mit zwei Millionen verkauften Pkw im Jahr 2003 weltweit die größten Wachstumsraten erreicht. Mit dem steigenden Lebensstandard von 1,3 Milliarden Menschen stellt er sich als Zukunftsmarkt für Automobile dar. Den Chancen, die der chinesische Automobilmarkt bietet, stehen große Risiken wie die drohende Überhitzung des Marktes und die Entwicklung der chinesischen Wirtschaftspolitik gegenüber. Die zunehmende Fahrzeugproduktion, die sich im Jahre 2010 auf mehr als  zehn Millionen Einheiten belaufen wird, wird zu steigenden Überkapazitäten führen, da der Inlandsabsatz mit diesen Produktionszahlen nicht mithalten kann. Die preisempfindlichen Konsumenten der Mittelschicht werden sich nicht so stark wie erwartet nur auf die Markennamen der westlichen Autokonzerne ausrichten und immer aggressivere Preisstrategien werden profitable Marktanteile kleiner werden lassen.
Als große Hürde für die weitere Entwicklung des chinesischen Automobilmarktes erweist sich die mangelnde Akzeptanz der Chinesen von Autokrediten. Gründe sind die hohen Zinsen und die traditionelle Zurückhaltung in der Schuldenaufnahme.

Für die Entwicklung eines Marketingkonzepts in China sind die bisherigen Formen der Marktstrategien der Automobilhersteller zu überprüfen. Die Erfolgsgeschichte des seit den 70er Jahren in einem chinesischen Joint Venture unverändert gebauten VW Santanas ist beendet. Die neuesten Modelle müssen heute nur Monate nach dem Verkaufsstart auch in China angeboten werden. Die kürzer werdenden Modelllebenszyklen erfordern dazu immer höhere Investitionen in die Produktionsanlagen.
Die Ziele der Joint Venture Partner sind nicht in demselben Ausmaß wie früher miteinander vereinbar. Die Chinesen wollen bald eigenständige Automobilmarken auf den Internationalen Markt bringen und kaufen dazu Marken für ihren Vertriebskanal auf. Ein von den internationalen Herstellern in einem Joint Venture eingebrachtes Know-how kann wegen dieser Zielsetzung künftig zum Nachteil dieser Hersteller eingesetzt werden. Mittelbar kann dies die Wettbewerbssituation verschärfen. Um von der Zusammenarbeit möglichst nachhaltig und effektiv profitieren zu können, sind langfristig wirkende Modelle zu vereinbaren. Die Vertragsfertigung könnte dabei ein möglicher Ansatz sein.

Die Teilebeschaffung bis zum kompletten Montageprozess werden ausgelagert, um von den günstigen Einsatzfaktoren in der Produktion, den niedrigen Kapitalkosten und der besonderen Unterstützung von strategischen Investitionen mit Niedrigzinskrediten profitieren zu können. Die internationalen Automobilhersteller könnten sich ganz auf ihre überlegenen Kernkompetenzen, nämlich die Produktwicklung, den Verkauf, die Distribution, den Service und die Finanzierung konzentrieren.

Beim Marketing-Mix in China sind weitere Problemfelder zu beachten:
Die Konsumenten in China kennen sich bereits mit den verschiedenen Marken der Kompaktwagen aus und  entwickeln erste Präferenzen, die zum großen Teil auf emotionalen Faktoren basieren. Die Präferenzen sind aber noch nicht eindeutig festgelegt und die Markenloyalität muss noch aufgebaut werden.
Den größten Wert legen die Konsumenten darauf, dass die Automarke eine führende Position in der Automobilbranche hat. Der gute Ruf einer Automarke, so glauben die Chinesen, garantiere ihnen Sicherheit und Zuverlässigkeit beim Autokauf. Das Fahrzeug muss allerdings den Vorstellungen des chinesischen Kunden entsprechen, um den Vorteil einer globale Marke für den Imagetransfer auf die in China angebotenen Modelle erfolgreich einsetzen zu können. Dies ist für einen Kompaktwagen in China nicht unproblematisch. Auch ein Kompaktwagen muss vor allem erlebnisbetonte Designkomponenten wie Attraktivität, Erfolg und Sicherheit vermitteln und gleichzeitig Freude am Fahren bereiten können. Technisch und funktional erwarten die Chinesen ein Auto das zuverlässig, wartungstechnisch anspruchslos und für die ganze Familie geeignet ist.
Die Kommunikationspolitik muss sich in China an jenen Teil der Bevölkerung richten, der sich ein Auto leisten kann. Eine audio-visuelle Mehrkanalmarketingwerbekampagne mit Internet, Fernsehspots im Kabelfernsehen und Handy ist am besten geeignet, um die Einkommensschicht mit einem hohen Lebensstandard zu erreichen. Die individuelle Ansprache des Kunden, die Vermittlung der emotionalen Erlebniswerte und der frühzeitige Aufbau der Kundenbeziehung vor dem Verkaufsstart stehen dabei im  Mittelpunkt.  Die Produkteinführung wird nicht zeitgleich erfolgen, Informationen  sowie Probefahrten werden künstlich verknappt, um eine gewisse Exklusivität der Marke aufzubauen, die einen zusätzlichen Kaufanreiz  bieten und einen höheren Preis rechtfertigen kann.
Die internationalen Hersteller verfolgen grundsätzlich mit ihren Marken eine Hochpreispolitik. Werden die Verkaufspreise in China zunächst zu hoch angesetzt und anschließend gesenkt, wird der wichtige Markenstatus aufs Spiel gesetzt.
Eine Marktausweitung in dem Kompaktwagensegment erfordert es, die  zunehmende Preissensibilität der Mittelschicht zu berücksichtigen. Die Preisstufen müssen so entwickelt werden, dass die unterschiedlichen Pro-Kopf-Einkommen innerhalb einer Region genauso wie die Produktvorstellungen berücksichtigt werden. Günstige Einstiegsmodelle für Erstkäufer sind in jedem Fall zu empfehlen.
Die Qualität und die Verfügbarkeit des After- Sales Services beeinflussen die Wahl der Automarke sowie die Kundenloyalität. Die Markteinführung des Kompaktwagens erfordert daher einen schnellen Ausbau des Händlernetzwerkes in China. In jeder Provinz muss mindestens ein Verkaufs- und Servicepartner zur Verfügung stehen. Bei Aufnahme ungeeigneter Vertragshändler in das Distributionssystem kann es  zu Imageverlusten kommen, die sich auf die ganze Marke auswirken können. Gerade im nicht entwickelten Dienstleistungsbereich müssen die Kompetenzen der Mitarbeiter geschult werden, um auf dem wichtigen After- Sales- Markt Gewinne zu erwirtschaften.
Bei einer geschätzten Fläche Chinas von 9,6 Millionen km2  ist der Transport aufgrund der schlechten Infrastruktur mit teilweise veralteten Straßen und Brücken mit geringer Tragkraft sowie unzureichenden Schienennetze in manchen Provinzen mit einer logistischen Herausforderung verbunden.  Die Fahrzeuge müssen in speziellen Schutzverpackungen in geschlossenen Lastkraftwagen transportiert werden, um sie bestmöglichst vor Schäden zu schützen.
Das Ziel der Automobilhersteller sollte ein optimiertes Netzwerk zwischen Produktion, Verkauf und Logistik sein, damit auch in China jeder Kunde sein gewünschtes Fahrzeug zum vereinbarten Zeitpunkt erhalten kann und die Kundenzufriedenheit sichergestellt ist. Dazu sind die vorhandenen Netzwerke der Chinesen zu nutzen und gemeinsam kontinuierlich auszubauen.



















































Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de