Kennen Sie Ihre wertvollsten Kunden?
cand. rer. pol. C. Thomas Beyer
PDF

Kennen Sie Ihre wertvollsten Kunden?




Soll sich ein Unternehmen eigentlich um alle seine Kunden kümmern oder nur um die wertvollen? Wie läßt sich deren Wert messen?

Kundenwertanalysen geben hierauf eine zuverlässige und unverzichtbare Antwort.

Zusammenfassung für den eiligen Leser

  1. Nicht jeder Kunde hat einen gleichermaßen positiven Wert. Es ist also nie sinnvoll, alle Kunden zu halten oder Kundenzufriedenheit bzw. Kundenbegeisterung "um jeden Preis" anzustreben.
  1. Kundenwertanalysen dienen dazu, ertragreiche Kunden zu identifizieren. So läßt sich feststellen, ob es rentabel ist, eine Geschäftsbeziehung mit ihnen zu pflegen und auch zukünftig in sie zu investieren.
  2. Eine qualifizierte Kundenwertanalyse mit am Kundenwert orientierter Gestaltung des Marketingmixes verbessert das Unternehmensergebnis erheblich.
  3. Die Ergebnisse von Kundenwertanalysen können besonders erfolgreich eingesetzt werden, wenn sie als Baustein des vernetzten Gesamtsystems der Unternehmung und ihrer Marktbeziehungen gesehen werden. So besteht beispielsweise auch eine nachweisbare Beziehung zwischen Kundenloyalität und Mitarbeiterloyalität. Gleiche Überlegungen gelten für die Optimierung der Geschäftsprozesse.


  1. Kundenwertkonzepte
Umsatz(potential)

Der Umsatz pro Kunde und Jahr ist die am weitesten verbreitete Kennziffer zur Bewertung von Kunden. Er liefert wichtige Erkenntnisse über die Marktposition des Kunden, beispielsweise den Marktanteil eines Anbieter in seiner Branche.

Der Umsatz ist aber als alleinige Kennzahl ungeeignet, da er wichtige Elemente des Kundenwertes vernachlässigt. Aufschlußreicher ist hier die Kundenrentabilität - gemessen am Kundendeckungsbeitrag. So kann der Gesamtwert eines Kunden zum Beispiel weit über oder unter dem monetären Wert seines Umsatzes liegen.

Deckungsbeitrag(spotential)

Auch beim Deckungsbeitrag ist entscheidend, daß ein hoher Kundendeckungsbeitrag mit (sehr) hoher Kundenzufriedenheit einhergeht. Ein Kunde mit hohem aktuellen Deckungsbeitrag, der im nächsten Jahr abwandert, weil er unzufrieden ist, ist naturgemäß weit weniger profitabel als ein loyaler Kunde.

Die Aussagekraft von Deckungsbeitragskennziffern kann durch ihre Kombination mit anderen Kennzahlen noch verstärkt werden: Denken wir beispielsweise an den Quotienten aus Deckungsbeitrag und Umsatz ("Umsatz-Deckungsbeitrags-Rate"). Er ermöglicht es, Deckungsbeitrag und Umsatz in ihrer Beziehung zueinander zu betrachten.


Cross-Selling-Potential

Umsätze bzw. Deckungsbeiträge, die im "Randsortiment" bzw. in anderen Bereichen eines Anbieters erzielt wurden, bezeichnet man als "Überkreuzverkauf" oder Cross-Selling.

Cross-Selling schöpft das Kundenpotential besser aus, so daß auch der Kundenwert steigt. So ist beispielsweise ein Autohauskunde, der auch eine Versicherung kauft, naturgemäß profitabler für das Autohaus.

Ein solches Cross-Selling kann sich auch auf die Kundenbindung positiv auswirken, da sich unter Umständen die Wechselbarrieren erhöhen.

Beispielsweise kann man im Finanzdienstleistungsbereich anhand bestehender Kundenverträge über die Urdienstleistung ("Ausgangsprodukt") die Folgekaufwahrscheinlichkeiten für andere Verträge ("Folgeprodukte") mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsmodellen ermitteln (Abbildung 1).

Empirische Untersuchungen zeigen in diesem Beispiel, daß ein Kunde, der als Ausgangsprodukt beispielsweise eine Hypothek aufgenommen hat, mit einer 90prozentigen Abschlußwahrscheinlichkeit für einen Vertrag über eine Baufinanzierung bewertet werden kann; eine Lebensversicherung wird dagegen nur mit zehnprozentiger Wahrscheinlichkeit abgeschlossen.

Der Finanzdienstleister kann also von einer sehr hohen Erfolgswahrscheinlichkeit ausgehen, wenn er seinen Kunden, die bei ihm bereits eine Hypothek aufgenommen, aber (noch) keine Baufinanzierung haben, ein Angebot für eine Baufinanzierung unterbreitet.

Abbildung 1: Cross-Selling-Matrix eines Finanzdienstleisters (Quelle: Schulz 1995, S. 272)

Referenzpotential

Das Referenzpotential wird gemessen mit der Anzahl (attraktiver) möglicher Abnehmer, die ein schon vorhandener Kunde positiv oder negativ beeinflussen kann, also beispielsweise durch Weiterempfehlung.

Solche Referenzen können so bedeutend sein, daß sie sogar den Wert des Umsatzes bzw. Deckungsbeitrags, den ein Kunde direkt erbringt, übersteigen.

Die Größe des Referenzpotentials hängt von zwei Faktoren ab:

Beim Referenzgeber sind u.a. seine "Ausstrahlungskraft" sowie seine Glaubwürdigkeit wichtige Faktoren für die Stärke seiner Empfehlungen. Entscheidend ist auch die Kompetenz des Referenzgebers bezüglich des betreffenden Gutes sowie sein Involvement und seine Zufriedenheit.

Referenzen können aber auch neutral oder sogar negativ wirken: So kann ein unzufriedener Kunde andere wertvolle Kunden "vergraulen" oder potentielle Neukunden von ihrer Kaufentscheidung abbringen. Negative Referenzen wirken stärker als positive. Daher kann der Wert eines unzufriedenen Kunden sogar negativ sein.

Die Referenzwirkung ist auch produktbezogen verschieden: Bei sozial auffälligen Produkten, die in der Öffentlichkeit benutzt werden (z.B. Autos oder Kleidung), spielen Referenzen eine besonders große Rolle. Beim Toyota Lexus beispielsweise wurden durch Referenzen mehr Neukunden gewonnen als auf jedem anderen Weg.


Potential zur längerfristigen Kundenbindung (Dauer der Geschäftsbeziehung)

Grundsätzlich bestehen Beziehungen zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenwert, weil Kundenzufriedenheit und Dauer der Geschäftsbeziehung im Normalfall positiv zusammenhängen.

Einschränkend ist zu beachten, daß sich das Potential zur längerfristigen Kundenbindung teilweise mit anderen Bestandteilen des Kundenwertes überschneidet. So hängt beispielsweise auch das Referenzpotential eines Kunden von dem Ausmaß seiner Zufriedenheit ab.

Kundenzufriedenheitsmessungen und die geschätzte Dauer der Geschäftsbeziehung liefern insgesamt wichtige Informationen über die Zufriedenheit wertvoller Kunden und ihren Wert und helfen dabei, sie auch zukünftig an das Unternehmen zu binden.


Informationspotential

Zum Informationspotential eines Kunden gehören alle qualifizierten Meinungsäußerungen, die ein Unternehmen von diesem Kunden erhält und entsprechend nutzen kann. Dabei kann es sich zum Beispiel um positive Äußerungen, Beschwerden oder auch Innovationsvorschläge handeln.

Zur Erfassung und Bewertung der Kundeninformationen und -innovationen bedarf es eines kundenorientierten Informationssystems, in dem alle verwertbaren Meinungsäußerungen des Kunden systematisch erfaßt und ausgewertet werden. Möglich wäre es zum Beispiel, ein Beschwerdemanagement zu institutionalisieren.

Zahlungsbereitschaft

Die Zahlungsbereitschaft des Kunden wird maßgeblich von seiner Bonität und seiner Zahlungsmoral beeinflußt (z. B. bei Zieleinkäufen). Zur Bewertung der Zahlungsmoral kann der Anbieter zum Beispiel ein Kreditscoring seiner Kunden durchführen, bei dem diese einen nominalen Wert als Kreditlimit zugewiesen erhalten. Dadurch kann das Unternehmen zu großen Liquiditätsrisiken entgegenwirken.

Die Bedeutung dieser Kundenwertkennzahl hängt von den situativen Liquiditätsbedürfnissen des Anbieters ab und ist vor allem bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen wichtig.

Der Liquiditätseinfluß einer Geschäftsbeziehung wird natürlich auch von der Lebenszyklusphase des Kunden bestimmt. So verringert der Kunde beispielsweise in der Akquisitionsphase die Liquidität im Unternehmen, da den Anfangsinvestitionen keine Einzahlungen gegenüberstehen.



2. Kundenwertanalysen in der Praxis

ABC-Analyse nach Umsatz und Deckungsbeitrag

Jede umfassende Kundenwertanalyse wird zunächst bei den Umsatzzahlen ansetzen. Wir gehen jedoch einen Schritt weiter und beginnen mit einer kombinierten ABC-Analyse, die erkennen läßt, welche Kunden bezüglich Umsatz und Deckungsbeitrag bedeutend sind (Abbildung 2).

Die Punkte in der Abbildung stellen die Umsatz-Deckungsbeitrags-Raten der größten Kunden eines Unternehmens dar. Die drei eingezeichneten Hilfslinien stehen für ( 1 ) den durchschnittlichen Umsatz, ( 2 ) den durchschnittlichen Deckungsbeitrag und ( 3 ) die Relation des Gesamtdeckungsbeitrags zum Gesamtumsatz (im Beispiel 0,41).

Diese Art der Darstellung ermöglicht die plausible Trennung zunächst dreier Kundengruppen, nämlich der A-,B- und C-Kunden.

Die A-Kunden haben sowohl überdurchschnittliche Deckungsbeiträge als auch Umsätze. Ein Teil von ihnen liegt über der Umsatz-Deckungsbeitrags-Rate, der Rest darunter.

Die Gruppe der A-Kunden läßt sich somit weiter aufspalten, in A1 (überdurchschnittliche Umsatzrentabilität) und A2 - eine Unterscheidung, die mit einer einfachen ABC-Analyse nicht möglich gewesen wäre.

Auf die vier A2-Kunden hat das Management ein besonderes Augenmerk zu richten, da sie unter der durchschnittlichen Umsatzrentabilität liegen.

Als Einschränkung ist jedoch zu beachten, daß es sich hier um eine kurzfristige Analyse handelt, da weder Zahlen für mehrere Jahre noch für Potentiale in die Analyse einbezogen wurden.

Abbildung 2: Umsatz-Deckungsbeitrags-Rate (Quelle: Rieker 1995, S. 63)


Customer Lifetime Value

Der Customer Lifetime Value berücksichtigt auch das (zukünftige) Kunden potential . So wird zum Beispiel in der Automobilindustrie der Kundenlebenszeitwert von VW-Abnehmern mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren geschätzt: Der Hersteller rechnet damit, daß die Kunden durchschnittlich alle vier Jahre einen Neuwagen für ca. 30.000 DM kaufen, zusätzlich Serviceleistungen in Höhe von etwa 1.000 DM pro Jahr. Die Geschäftsbeziehung wird mit 20 Jahren veranschlagt. Somit hat ein durchschnittlicher VW-Autofahrer einen Kundenwert von 170.000 DM.

Ein anderer Hersteller (Mercedes) unterstellt dagegen, daß eine Geschäftsbeziehung 25 Jahre dauert und die Autofahrer sich alle vier Jahre einen neuen Wagen kaufen. Somit ergibt sich bei einem durchschnittlichen Wagenpreis von ca. 80.000 DM ein Customer Lifetime Value von einer halben Million DM.

Fazit: Die Customer Lifetime Values können zur Bewertung längerfristiger Geschäftsbeziehungen eingesetzt werden, variieren aber sogar innerhalb derselben Branche sehr stark.


Scoringmodelle

Scoringmodelle erweitern den bisherigen Ansatz, indem sie auch nicht monetäre Faktoren in die Analyse einbeziehen (Abbildung 3). (Das Kundenbindungspotential wird als einziges Element nicht aufgenommen, da es schon umfassend in den anderen Faktoren enthalten ist.)

Knock-out-Kriterien

Im folgenden bilden Umsatz und Deckungsbeitrag als wichtigste monetäre Elemente des Kundenwertes die Knock-out-Kriterien: Es werden also nur diejenigen Kunden in das Scoringmodell aufgenommen, die bei beiden Größen einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Dies sind in unserem Beispiel die Kunden 1 bis 10, von denen Abbildung 3 einen Ausschnitt zeigt.

Standardsituation

Der Deckungsbeitrag wiegt am stärksten (30 % des Gesamt-Kundenwertes), weil er im Beispielfall als wichtigstes Kriterium angesehen wird. Da der Umsatz weniger aussagt als der Deckungsbeitrag und mit ihm korreliert ist, wird er nur mit 15 % gewichtet. Die Potentiale dieser beiden Größen wiegen jeweils ein Drittel des zugehörigen aktuellen Wertes (5 % bzw. 10 %).

Das Referenzpotential wird von den nichtmonetären Bestandteilen des Kundenwertes am stärksten gewichtet, da es in diesem Beispiel als wichtigstes nichtmonetäres Element des Kundenwertes angesehen wird .


Kriterium

Gewichtungs-faktor Standard/ veränderte

Lage

Kunde 1

Punkte gew.

...



Kunde 4

Punkte gew.

Kunde 5

Punkte gew.

...



Umsatz
0,15
10
1,5
7
1,05
7
1,05
0,10
1,0
0,7
0,7
Umsatz-
0,05
9
0,45
8
0,4
7
0,35
Potential
0,08
0,72
0,64
0,56
Deckungs-
0,30
5
1,5
8
2,4
10
3,0
beitrag
0,20
1,0
1,6
2,0
Deckg.beitrags-
0,10
4
0,4
7
0,7
9
0,9
Potential
0,15
0,6
1,05
1,35
Liqu.-Potential
0,10
1
0,1
7
0,7
3
0,3
0,20
0,2
1,4
0,6
Cross-
0,10
5
0,5
4
0,4
3
0,3
Selling
0,08
0,4
0,32
0,24
Referenzen
0,12
7
0,84
6
0,72
5
0,6
0,17
1,19
1,02
0,85
Informa-
0,08
10
0,8
8
0,64
7
0,56
tionen
0,02
0,2
0,16
0,14
Summe Standard
6,09
7,01
7,06
Rang
6
2
1
Summe veränderte Lage
5,31
6,89
6,45
Rang
8
1
3

Abbildung 3: Scoringmodell (Quelle: Eigene Darstellung)

Eine Skala von 1 bis 10 bewertet die Kunden nun hinsichtlich ihrer Bedeutung für die jeweiligen Kriterien. Aus allen Faktoren ergibt sich schließlich ein Gesamtkundenwert für jeden Kunden, aus dem eine Rangordnung gebildet wird ("Standard Rang"):

Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse, daß eine Kundenbeziehung tatsächlich mehr oder weniger Wert haben kann, als der isoliert betrachtete Umsatz oder Deckungsbeitrag erkennen lassen.

Veränderte Ausgangsbedingungen

Nach dieser (Standard)situation wird nun von veränderten Voraussetzungen für das Unternehmen ausgegangen (vgl. Abbildung 3: rote Zahlen ), die auch zu einer unterschiedlichen Rangfolge führen.

Kundenportfolios

Portfoliomodelle stellen einen weiterführenden Ansatz der Kundenbewertung dar. Das Kundenzufriedenheits–/Kundenwertportfolio bezieht neben dem Kundenwert die Zufriedenheit der Abnehmer als weiteres kundenbezogenes Merkmal ein (Abbildung 4). Der Kundenwert wird hier als Scoringwert ermittelt.



3. Ableitung von Marketingstrategien

Anhand des Kundenzufriedenheits–/Kundenwertportfolio wird nun gezeigt, in welcher Höhe , in welcher Form und wann Marketingmaßnahmen einzusetzen sind (Ressourcenallokation, Timing).

Mit einigen ausgewählten Beispielen aus dem Automobilbereich werden die einzelnen Bestandteile des Marketingmixes für wertvolle Kunden näher erläutert (Abbildung 4).

Zu den wertvollen Kunden gehören in der Abbildung 4 die Gruppen I und II.

Bei der Kundengruppe I , die den höchsten Beitrag zur Kundenrentabilität bzw. zum Shareholder Value leistet, besteht der stärkste Handlungsbedarf: Sie ist für das Unternehmen zwar sehr attraktiv, aber wegen eingeschränkter Kundenzufriedenheit abwanderungsgefährdet. Der Nutzen für diese Kunden muß wesentlich verbessert werden.

Abbildung 4: Kundenzufriedenheits-/Kundenwertportfolio (Quelle: Eigene Darstellung)

So könnte ein Autohaus für seine wertvollen Kunden beispielsweise ein individuelles Leistungspaket beim Autokauf entwickeln, das eine auf ihre Ansprüche zugeschnittene Kfz-Versicherung sowie umfassende Garantieleistungen für den Neuwagen (incl. einer sog. Mobilitätsgarantie) enthält.

Die zweite Priorität haben wertvolle Kunden, die mit dem Anbieter zufrieden bzw. sehr zufrieden sind (Gruppe II ). Die Leistungen des Unternehmens müssen daher zumindest unter Kosten-Nutzen-Aspekten nicht erheblich verbessert werden. Die Geschäftsbeziehungen sind hier für alle Beteiligten sehr wichtig, da beide Partner großen Nutzen stiften und demzufolge stark voneinander abhängig sind.

Doch auch hier besteht stets Handlungsbedarf: So kommt bei dieser Kundengruppe vor allem das Beziehungsmanagement bzw. das Beziehungsmarketing zum Tragen. Folglich ist der gesamte Marketingmix darauf auszurichten, den Kunden stärker zu binden , also die Kundenloyalität zu fördern .

Ein Ansatz hierfür ist das Relationship Pricing : Ein Autohaus könnte Kunden, die einen Neuwagen gekauft haben und regelmäßige Serviceleistungen durchführen lassen, zu gegebener Zeit einen Nachlaß auf den Kauf des nächsten Wagens anbieten oder den alten Wagen günstig in Zahlung nehmen (Ausgangspunkt: Rentabilität der gesamten Kundenbeziehung!).

4. Fünf Thesen

These 1

Die Länge des gewählten Untersuchungszeitraums (Periodenbezug) beeinflußt Ergebnisse und Informationsgehalt von Kundenwertberechnungen wesentlich.

Perioden bezogene Kundenwerte sind zwar leichter zu errechnen, aber das Ergebnis gilt nicht unbedingt auch für die folgenden Perioden (sofern die Geschäftsbeziehung dann überhaupt noch fortbesteht). Perioden übergreifende Kundenwerte dagegen erstrecken sich im Idealfall des

Customer Lifetime Value über die gesamte Lebenszeit der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden. Problematisch ist hierbei die Ermittlung der relevanten Werte, da die Vergangenheitsdaten zwar bekannt sind, das Kundenpotential aber unsicher ist.


These 2

In vielen Unternehmen ist die Datenbasis noch zu schmal, um wirklich aussagekräftige Kundenwerte zu berechnen.

Vielfach sind die kundenindividuellen Einzelkosten und –erlöse, die für rentabilitätsbezogene Betrachtungen des Kundenwertes erforderlich sind, nicht bekannt. Auch lassen sich generell die qualitativen Elemente des Kundenwertes nur schwer erfassen, weil sich beispielsweise beim Informationspotential im Durchschnitt nur etwa 4 bis 15 % der unzufriedenen Kunden tatsächlich beschweren. Beim Referenzpotential ist es weiterhin nicht möglich, genau abzugrenzen, wann ein Kunde eine Leistung eindeutig aufgrund einer bestimmten Empfehlung gekauft hat.

These 3

Die Einzelkomponenten des Kundenwertes und sein Gesamtwert bilden eine zusammengehörige Entscheidungsgrundlage.

Die Kennzahl vom Gesamtwert eines Kunden ist trotz der dargestellten Berechnungsprobleme ein unverzichtbarer Indikator zur Ableitung von Marketingmaßnahmen. Gleichzeitig ist es aber unerläßlich, auch dessen Einzelelemente gesondert zu prüfen. So könnte ja beispielsweise ein Kunde mit hohem Wachstumspotential wegen augenblicklicher Unzufriedenheit und mäßigem Referenzpotential nur einen mittleren Kundenwert haben, weil sich die verschiedenen Elemente gegenseitig kompensieren. In Wirklichkeit sind die Geschäftsbeziehungen jedoch wegen seines hohen Wachstumspotentials sehr aussichtsreich.

These 4

Zufriedene Kunden sind nicht unbedingt auch loyale Kunden.

Auch ein zufriedener Kunde ist immer abwanderungsgefährdet. Findet er nämlich einen Anbieter, der seinen Interessen noch mehr entgegenkommt und ihm somit einen höheren Nutzen stiftet, wird er womöglich wechseln. Erst ein hochzufriedener ("begeisterter") Kunde bleibt dem Anbieter langfristig mit größerer Wahrscheinlichkeit erhalten.

Unzufriedene Kunden wechseln unter Umständen trotzdem nicht, d. h. sie brechen die Beziehung zu ihrem Lieferanten aus verschiedenen Gründen (Wechselbarrieren) trotzdem nicht ab.

These 5

Die gewählte Untersuchungsmethode ist entscheidend für die Aussagekraft der Kundenwertkennziffer.
Allen Ansprüchen genügende Analysemethoden gibt es bisher aber nicht.



Beim Scoringmodell ist beispielsweise zu kritisieren, daß die hier gewählten Umsätze und Deckungsbeiträge nur einen kurzen Zeitraum repräsentieren und das Ergebnis außerdem subjektiv ist, da die Auswahl der Bewertungskriterien und Gewichtungsfaktoren sowie der Punktewerte von der Einschätzung des Modellanwenders abhängen.

Auch die Ergebnisse der Portfoliomethode lassen sich nur bedingt für Marketingstrategien anwenden, da beispielsweise die gewählte Unterteilung der Quadranten willkürlich ist. So ergeben sich möglicherweise Fehlschlüsse vor allem bei den Kunden, die sich in mittleren Positionen befinden. Außerdem beruht das Portfolio hauptsächlich auf aktuellen Werten. Ihm müßte daher ein Soll- Portfolio gegenübergestellt werden, das die vom Anbieter angestrebte Situation darstellt.



Literaturquellen

Cornelsen, J. (1996): Kundenwert, Nürnberg 1996
Homburg, Ch. / Schnurr, Ph. (1998): Wertorientierte Unternehmensführung, Wiesbaden 1998
Plinke, W. (1997): Bedeutende Kunden, in: Kleinaltenkamp, M. / Plinke, W. (Hrsg.): Geschäftsbeziehungsmanagement, Berlin 1997, S. 113-158
Rieker, S. (1995): Bedeutende Kunden, Wiesbaden 1995
Schulz, B. (1995): Kundenpotentialanalyse im Kundenstamm von Unternehmen, Wien 1995















































Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de